Rechtsanwaltskanzlei

Trotz Datendiebstahl – kein Schadensersatz

Verbraucherpreisindex im September 2023:

+4,5 % zum Vorjahresmonat
+0,3 % zum Vormonat

Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine ist die Inflationsrate auf dem niedrigsten Wert, aber sie bleibt dennoch hoch.
Die Preise für Energieprodukte lagen im September 2023 um 1,0 % über dem Niveau des Vorjahresmonats, nach +8,3 % im August 2023. Grund für die geringe Preiserhöhung sind die Preiserhöhungen im Vorjahr (Basiseffekt). Wohingegen die Preisentwicklungen für Strom im September 2023 mit +11,1 % weiterhin teurer als ein Jahr zuvor waren. Die Preise für Fern-wärme mit +0,3 % erhöhten sich nur leicht. Einige Energieprodukte (Erdgas: -5,3 %; Kraft-stoffe: -6,0 %) haben im September 2023 sogar einen niedrigeren Preis als ein Jahr zuvor.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023

I. Aktuelles

Die Auftragslage ist weiter rückläufig: In Deutschland wird immer weniger gebaut.

In Deutschland gibt es einen Rückgang im Baugewerbe und bei Wohnimmobilien.
Gestiegene Bauzinsen, Lieferschwierigkeiten und neue energetische Auflagen wirken sich negativ auf das Interesse von Investoren und Bauherren in Deutschland aus. Die Auftragslage im Bauhauptgewerbe ist deutlich rückläufig, die Nachfrage geht stetig zurück.

In Zahlen zeigt sich die gesunkene Nachfrage besonders im Vergleich mit dem Vorjahr.
Zwar betrugen die Auftragseingänge im März 2023 in Summe 0,9 % (preisbereinigt) mehr als im Vormonat Februar. Insgesamt herrscht jedoch weiterhin eine Auftragsflaute: Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist der Umfang der Auftragseingänge preisbereinigt um 20,1 % gesunken.
Die Auftragseingänge gelten im Bauhauptgewerbe als wichtiger Frühindikator für die Nachfrage am Markt. Sie werden monatlich bei rund bei 10.000 Baubetrieben erhoben und geben den betriebswirtschaftlichen Umfang (Wert) der eingegangenen Aufträge an.

II. Entscheidungen im Überblick

1.
Die Verrechnung der Mietkaution ist auch mit streitigen Forderungen zulässig, wenn das Mietverhältnis beendet ist. Eine Kautionsabrechnung kann auch durch schlüssiges Verhalten der Vermieter erfolgen.

Der BGH hatte zu entscheiden, in welcher Weise und innerhalb welcher Frist der Vermieter über die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses abrechnen muss.

Die Mieter hatten bei Abschluss des Mietvertrages dem Vermieter eine Barkaution gezahlt, im Verlauf des Mietverhältnisses die Miete jedoch u.a. wegen Mängeln gekürzt.

Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhob der Vermieter Klage auf Zahlung rückständiger Mieten, ohne jedoch ausdrücklich über die Kaution abzurechnen oder sie zu verwenden.

Im Prozess erklärten die Mieter die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution.

Der BGH erklärte die Aufrechnung für zulässig, da der Rückzahlungsanspruch fällig sei, auch wenn der Vermieter über die Kaution noch nicht ausdrücklich abgerechnet hat.

Grundsätzlich hat sich der Vermieter nach dem Ende des Mietverhältnisses innerhalb angemessener, nicht allgemein bestimmbarer Frist gegenüber dem Mieter zu erklären, ob und gegebenenfalls welche aus dem beendeten Mietverhältnis stammenden Ansprüche er gegen diesen erhebt. Mit einer solchen Erklärung wird die Mietsicherheit abgerechnet, da der Vermieter damit deutlich macht, ob er ein Verwertungsinteresse an der gewährten Mietsicherheit hat.

Eine solche Erklärung muss aber nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten, so durch Klageerhebung erfolgen, sofern der Vermieter nicht gleichzeitig durch einen Vorbehalt kenntlich macht, dass noch mit weiteren Forderungen zu rechnen ist

Mit der konkludent erklärten Abrechnung bringt der Vermieter für den Mieter erkennbar zum Ausdruck, dass sich sein Verwertungsinteresse auf die in der Forderungsaufstellung bezeichneten bzw. aufgerechneten oder klageweise geltend gemachten Forderungen beschränkt.

Dies gilt auch für streitige Forderungen.

Macht aber der Vermieter – wie vorliegend – von seiner Verwertungsbefugnis keinen Gebrauch, da er das Kautionsguthaben nicht anrührt, dann bringt er damit zum Ausdruck, von der Mietsicherheit keinen Gebrauch machen zu wollen.

Die Mieter durften daher mit dem fälligen Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen.

(BGH, Urteil v. 24.7.2019, VIII ZR 141/17)

2.
Kein Schadensersatz nach Datendiebstahl bei Facebook.


Das OLG Hamm hat erstmalig ein Urteil zu den sogenannten Facebook-Scraping-Fällen gesprochen und eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der DSGVO abgewiesen.

Im April 2021 veröffentlichten Unbekannte die Daten von etwa 500 Millionen Facebook-Nutzern im Darknet, darunter Namen und Telefonnummern. Die Daten hatten die Unbekannten zuvor über einen längeren Zeitraum zunächst unter Ausnutzung der seinerzeitigen Suchfunktionen von Facebook gesammelt, weshalb von „Scraping“ gesprochen wird (von engl. to scrape für zusammenkratzen). Auch dann, wenn die Anzeige der eigenen Telefonnummer bei Facebook nicht aktiviert war, war es über die Suchfunktion möglich, einen Nutzer über eine eingegebene Telefonnummer zu identifizieren.

Im Hinblick auf dieses „Datenleck“ sind bundesweit zahlreiche Klagen gegen Meta als Betreiberin der Plattform anhängig.

Auch die Klägerin im nun entschiedenen Verfahren war von dem Scraping betroffen. In dem im Darknet veröffentlichten Datensatz fanden sich ihre Mobiltelefonnummer, ihr Vor- und Nachname sowie die Angabe ihres Geschlechts. Die Klägerin hat von Meta als Betreiberin der Plattform unter anderem eine Entschädigung für immaterielle Schäden ähnlich einem Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.000 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Betreiberin der Plattform habe sowohl im Zusammenhang mit dem Scraping als auch unabhängig davon gegen verschiedene Vorschriften des Datenschutzes aus der DSGVO verstoßen. Dem ist Meta entgegengetreten.

Zu den festgestellten Verstößen gegen die DSGVO geht das OLG im Ausgangspunkt davon aus, dass es auch im Zivilprozess Aufgabe des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen – hier Meta – ist, die zulässige Verarbeitung dieser Daten nach der DSGVO nachzuweisen. Auch die Weitergabe von Daten an Dritte auf eine Suchfunktion oder eine Kontaktimportfunktion ist dabei Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO. Meta konnte hier nicht nachweisen, dass die Weitergabe der Mobiltelefonnummer der Klägerin im Rahmen der Such- oder Kontaktimportfunktion nach der DSGVO gerechtfertigt war. Auf die Erfüllung des Vertragszwecks als Rechtfertigungsgrund nach der DSGVO konnte sich Meta dabei nicht berufen, da die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer für die Vernetzung der Nutzerinnen und Nutzer von Facebook untereinander unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Datensparsamkeit nicht zwingend erforderlich ist.

Für die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer bedarf es daher einer Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers. Eine solche wurde hier schon deswegen nicht wirksam erteilt, weil bei der seinerzeit erteilten Einwilligung der Klägerin in unzulässiger Weise mit von der Nutzerin auf Wunsch abwählbaren Voreinstellungen gearbeitet wurde („opt-out“) und die Informationen über die Such- und Kontaktimportfunktion unzureichend und intransparent waren. Auch eine grundsätzlich zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung hat das OLG bejaht, da Meta trotz der konkreten Kenntnis von dem Datenabgriff im vorliegenden Fall naheliegende Maßnahmen zur Verhinderung weiteren unbefugten Datenabgriffs nicht ergriffen hatte.

Das OLG hat im Ergebnis zwar Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften bejaht, der Klägerin im Ergebnis aber dennoch keinen Schadensersatz zuerkannt, da sie einen immateriellen Schaden nicht ausreichend darlegen konnte.

Die Klägerin hat hier lediglich immaterielle Schäden geltend gemacht, was nach der DSGVO zwar grundsätzlich möglich ist und zu einer Entschädigung ähnlich einem Schmerzensgeld führen kann. Allerdings ist es der Klägerin nicht gelungen, einen konkreten immateriellen Schaden darzulegen. Dabei geht das OLG davon aus, dass der immaterielle Schaden nicht in dem bloßen Verstoß gegen die DSGVO selbst liegen kann, sondern darüberhinausgehende persönliche bzw. psychologische Beeinträchtigungen eingetreten sein müssen.

(OLG Hamm, Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23)

III. Entscheidung im Detail

Selbständiges Beweisverfahren –
Wie konkret müssen die an den Gutachter gerichteten Fragen sein?
Bedarf die Frage nach Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik näherer Darlegung?

OLG Karlsruhe – Az: 8 W 6/23 – Beschluss vom 04.09.2023

1. Sachverhalt:

Die Parteien stritten im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens über Mängel an der Tiefgarage eines Bauvorhabens. Es wurde die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen. Noch vor Erstattung des schriftlichen Gutachtens stellte die Antragstellerin mehrfach weitere Beweisfragen, die ebenfalls dem Sachverständigen zur Beantwortung aufgegeben wurden. Nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens wurde auf Antrag des Antragsgegners Termin zur Anhörung des Sachverständigen bestimmt. Circa zwei Wochen vor dem Termin formulierte die Antragstellerin weitere Beweisfragen zu weiteren behaupteten Mängeln.

Dabei wollte die Antragstellerin unter anderem vom Gutachter festgestellt wissen, ob die Bauteile Löcher aufweisen und ob die Bauteile den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Das Landgericht Mannheim wies diese Antragserweiterung als unzulässig zurück mit der Begründung, dieser Antrag laufe auf einen Ausforschungsbeweis hinaus. Die Antragstellerin wolle hiermit ohne konkrete Anhaltspunkte erst die tatsächlichen Grundlagen für einen Anspruch ermitteln lassen. Das Begehren nach dem Feststellen von Löchern und die Frage, ob die Bauteile den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, sei viel zu unkonkret. Zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil über drei Jahre seit der ersten Antragstellung vergangen seien und nicht erkennbar sei, weshalb die Fragen noch immer wesentlich sein sollen.

Hiergegen erhob die Antragstellerin Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat und die Akten daher dem Oberlandesgericht vorgelegt hat.

2. Entscheidung:

Die Beschwerde hatte Erfolg!

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die beantragte Beweiserhebung durchzuführen ist.

Nach Ansicht des Gerichts genügt der Antrag den Anforderungen des § 487 Nr.2 ZPO.
Eine hinreichende Bezeichnung der Tatsachen, über die ein Beweis erhoben werden soll, liegt bereits bei Angabe der Beweistatsachen in groben Zügen vor. Insbesondere ist kein Vortrag zu den (vermuteten) Ursachen von Mängeln erforderlich.

Die Baumängel müssen nur nach ihrem äußeren Erscheinungsbild („Symptome“) angegeben werden.

Das geforderte Minimum an Substantiierung ist dann nicht erreicht, wenn die Antragstellerin lediglich in formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen oder die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau und pauschal bezeichnet werden, dass sie dem Sachverständigen keine konkreten Anhaltspunkte für die durchzuführenden Prüfungen geben.

Zudem ist eine reine Ausforschung unzulässig, wenn keine konkreten Tatsachen vorgetragen werden, sondern lediglich Fragen an den Gutachter in der Hoffnung gestellt werden, erst dadurch anspruchsbegründende Tatsachen zu erfahren und hierdurch die Grundlagen für einen beweiserheblichen Tatsachenvortrag zu gewinnen.

Die Tatsachen waren vorliegend aber hinreichend bezeichnet, denn die Antragstellerin hat das äußere Erscheinungsbild und die Lage der Mängel jeweils beschrieben.

Die zusätzlich von der Antragstellerin gestellte Frage nach der Einhaltung der „anerkannten Regeln der Technik“ steht einer Beweiserhebung nicht entgegen.

Zur Zustandsfeststellung einer Sache i.S.d. § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört auch die fachtechnische Einordnung einer sich in einem Bauwerk zeigenden Leistung als den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend oder widersprechend.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nicht. Die nunmehr geltend gemachten Mängel waren noch nicht Gegenstand sachverständiger Begutachtung. Auch war das Beweisverfahren zum Zeitpunkt der ergänzenden Antragstellung noch nicht beendet. Auf die Verfahrensdauer kommt es hierbei nicht an.

3. Fazit und Praxistipp:

Das OLG Karlsruhe hat sich mit diesem Beschluss auf recht dünnem Eis bewegt.

Zuzustimmen ist dem Gericht insoweit, als grundsätzlich die Angabe der Beweistatsachen in groben Zügen genügt.

Soweit es daher um die Feststellung von Baumängeln geht, müssen im Antrag neben der Lage des Bauwerks die Baumängel nach ihrem äußeren Erscheinungsbild genauestens angegeben werden. Es ist daher anzuraten, bei Antragstellung die zu beweisenden Tatsachen so genau wie möglich zu bezeichnen. Nur so ist gewährleistet, dass ein Sachverständiger vor Ort überhaupt eine effektive Inaugenscheinnahme vornehmen kann.

Hingegen ist die Frage, ob Arbeiten entgegen der Regeln der Technik ausgeführt wurden und dies zu Mängeln geführt hat, in einem selbstständigen Beweisverfahren nicht zulässig.

Die Beweisfrage muss auf Tatsachen gerichtet werden, über die Beweis zu erheben ist. Die Frage, ob eine bestimmte Bauweise den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, ist aber eine Rechtsfrage, für die es unter anderem auch darauf ankommt, welche Beschaffenheit die Parteien vereinbart haben und wie der zwischen ihnen geschlossenen Vertrag auszulegen ist.

Die Abgrenzung zwischen Tatsachenfrage und Rechtsfrage kann im Einzelfall schwierig sein.

Für das OLG Karlsruhe jedenfalls gehört die Feststellung der Einhaltung der „anerkannten Regeln der Technik“ zur Zustandsfeststellung eines Bauwerks.

Von dieser großzügigen Einordnung kann jedoch nicht generell ausgegangen werden, deshalb ist in einem Beweisverfahren mit der Frage der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik Zurückhaltung geboten.
Auf keinen Fall kann diese Frage isoliert und ohne Darlegung des näheren Erscheinungsbildes des behaupteten Mangels Gegenstand eines Beweisverfahrens sein.

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