Im Mai haben Bundesinnenminister Dobrindt und BKA-Präsident Münch die Statistik zu politisch motivierten Straftaten in 2024 vorgestellt. Hauptergebnis: Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2024 um 40,2 % auf 84.172 Straftaten gestiegen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der Straftaten damit mehr als verdoppelt.
Die rechts motivierten Straftaten sind im Jahr 2024 um fast 50 % gestiegen. Bei diesen Straftaten wird immer häufiger Gewalt angewendet. Bei den rechts motivierten Gewalttaten ist ein Anstieg um 17% zu verzeichnen. Häufig handelt es sich um Propagandadelikte, die gemäß § 86 und § 86a Strafgesetzbuch verfolgt werden.
Auch die links motivierten Straftaten sind um 28,2 % auf 6.236 Taten angestiegen. Jedoch sank hier die Anzahl der Gewaltdelikte um fast 17 %. Bei diesen Taten handelt es sich häufiger um Sachbeschädigungsdelikte nach § 303 Strafgesetzbuch.
Die Anzahl der antisemitischen Straftaten stieg im vergangenen Jahr um 20,8 % auf 6.236 Fälle an.
Den größten Anteil der politisch motivierten Straftaten macht, mit 25 %, die Hasskriminalität aus. Hierunter fallen auch Straftaten gegen Frauen, die den stärksten Anstieg innerhalb der Hasskriminalität verzeichnen.
Viele Straftaten wurden zudem im Zusammenhang mit der Bundestagswahl verübt. Es wurde ein Anstieg um 427 % verzeichnet. Erfasst sind hiervon insbesondere Sachbeschädigungen an Wahlplakaten und den Büros der Parteien sowie Übergriffe auf Politiker:innen und Wahlkampfhelfende.
Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Leserinnen und Leser,
I. Aktuelles
BSW scheitert erneut
Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) ist erneut mit zwei Klagen gegen das Ergebnis der Bundestagswahl 2025 gescheitert.
Mit einem Beschluss vom 12.05.2025 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Organklagen des BSW, mit denen Verletzungen des Rechts auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz geltend gemacht werden sollten, bereits unzulässig sind.
Das BSW war bei der Bundestagswahl 2025 mit 4,98 % der Zweitstimmen am Einzug in den Deutschen Bundestag knapp gescheitert.
Mit dem ersten Klageantrag begehrte das BSW die Einführung eines Rechtsbehelfs zur Auszählung der Stimmen bei einem knappen Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde. Der zweite Antrag war gegen eine Regelung im Bundeswahlgesetz gerichtet, in der die Reihenfolge der Parteien auf den Stimmzetteln falsch geregelt worden sei.
Die Anträge des BSW wurden als unzulässig verworfen. Dem BSW fehlte für den ersten Klageantrag die Antragsbefugnis, da eine Verletzung des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG nicht ausreichend dargelegt wurde. Der zweite Klageantrag des BSW sei ebenfalls nicht hinreichend substantiiert, da das BSW die Rechtslage verkannt habe.
Neuwahl am Bundesverfassungsgericht
Die 16 Richter:innen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) werden grundsätzlich je zur Hälfe vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Sollte dies jedoch nicht rechtzeitig erfolgen, kann das BVerfG gemäß § 7a Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) eigene Vorschläge zur Besetzung der Ämter vorlegen.
Im vergangenen Jahr endete die Amtszeit des Richters Josef Christ. Die Koalition aus CDU und CSU war nun berechtigt, eine/n Nachfolger:in vorzuschlagen. Der Bundestag müsste dem Vorschlag sodann mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.
Aufgrund der vorzeitigen Auflösung des alten Bundestages und der Zusammensetzung des neuen Bundestages kam eine Wahl des, von der CDU/CSU vorgeschlagenen, Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgerichts Robert Seemüllers nicht zustande.
Das BVerfG hat nun Herrn Günter Spinner (Richter am Bundesarbeitsgericht) sowie die Richter:innen des Bundesgerichtshofs Oliver Klein und Eva Menges vorgeschlagen.
Diese Vorschläge sind jedoch nicht verbindlich. Der Bundestag kann weiterhin selbst nach geeigneten Kandidaten suchen. Es gilt jedoch weiterhin, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist.
Personeller Zuwachs in BERLIN!
Wir freuen uns, Ihnen mitzuteilen, dass unsere Kanzlei auch in diesem Monat einen neuen Kollegen begrüßen darf: Herrn Rechtsanwalt Julian Otte-Korts.
Herr Rechtsanwalt Otte-Korts unterstützt seit dem 01.06.2025 die Kolleginnen und Kollegen am Standort Berlin. Herr Otte-Korts berät auf den Gebieten des Bau- und Architektenrechts, des Vergaberechts, des Miet- und Wohnungseigentumsrechts sowie des Vertragsrechts.
Er ist in Köln geboren und absolvierte sein Studium an der Freien Universität Berlin mit Schwerpunkt in Europa- und Völkerrecht.
Sein Referendariat am OLG Rostock leistete er mit Stationen am Landgericht Neubrandenburg, am Verwaltungsgericht Schwerin, am Amtsgericht Waren an der Müritz, in einer international tätigen Wirtschaftskanzlei in Berlin sowie beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ab.
Abseits der Juristerei spielt er gerne Klavier, kocht leidenschaftlich gerne für sich und seine Freunde, erkundet nahe und ferne Reiseziele oder nimmt die vielfältigen Angebote der Berliner Kulturlandschaft wahr.
Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit mit Herrn Otte-Korts.
II. Entscheidung im Überblick
BVerfG, Beschl. V. 18.05.2025, Az. 2 BvQ 32/25)
Eine hochschwangere Frau soll ihre Wohnung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung verlassen und nach der Geburt in eine Notunterkunft ziehen? Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung des Amtsgerichts Schwabach nun aufgehoben und die Zwangsvollstreckung einstweilen ausgesetzt.
Das Amtsgericht Schwabach hatte entschieden, dass eine hochschwangere Frau vier Tage vor ihrem Kaiserschnitt ihre Wohnung räumen müsse. Die Frau und ihre Familie sollten im Anschluss in einer Notunterkunft – einem Container der Gemeinde – untergebracht werden.
Die Frau wandte sich daraufhin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dieser – für ein ordentliches Gerichtsverfahren recht ungewöhnliche – Schritt ist gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG möglich, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist und eine Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Die Voraussetzungen bejahte das BVerfG und prüfte den Antrag.
Das BVerfG führte aus, dass Vollstreckungsgerichte Vorkehrungen treffen müssten, damit Zwangsvollstreckungsmaßnehmen zu keiner Verfassungsverletzung führen. Die Gerichte müssten, wenn die Vollstreckungsschuldner Gesundheitsgefahren geltend machen, diese prüfen und insbesondere die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsschädigung sowie den Schweregrad berücksichtigen.
Dies begründete das BVerfG damit, dass die Zwangsvollstreckung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Vollstreckungsschuldners begründen könne und dadurch eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte im Sinne von § 765a ZPO darstelle.
Nach den Feststellungen des BVerfG habe das Amtsgericht Schwabach nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin in vier Tagen einen Termin zum Kaiserschnitt habe und die hygienische sowie medizinische Grundversorgung – insbesondere für das neugeborene Kind – in einem Container nicht ausreichend sei.
Das BVerfG hat klargestellt, dass es Aufgabe der staatlichen Stelle sei, eine menschenwürdige Unterbringung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG sicherzustellen. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, dass das Amtsgericht der Zwangsvollstreckung nicht abhelfen wollte.
Die Klägerin kann nun eine Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren einreichen.
Die Zwangsvollstreckung wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für eine Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
III. Entscheidung im Detail
BGH, Urt. v. 22.05.2025, Az. VII ZR 157/24
Die Betreiberin einer Waschanlage muss keinen Schadensersatz dafür bezahlen, dass die Tank- und Wartungsklappe an einem Kundenfahrzeug beim Waschvorgang in der Autowaschanlage beschädigt wurde. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden und dabei einen Unterschied zu einem Fall aus dem November 2024 erkannt. In seinem damaligen Urteil hatte der Bundesgerichtshof einen Schadensersatzanspruch, aufgrund einer Beschädigung eines Heckspoilers durch eine Autowaschanlage, bejaht (nachzulesen in der Depesche aus 12/2024).
1. Sachverhalt
Die Beklagte betreibt eine Autowaschanlage (Waschstraße), die der Kläger mit seinem BMW X 3 am 22.09.2022 benutzte.
Vor der Einfahrt in die Waschstraße befand sich ein Hinweis mit den Einfahrbedingungen und dem Hausrecht. Dort hieß es unter anderem:
„Bedienungshinweise des Fahrzeugherstellers zur Waschstraßenbenutzung unbedingt beachten“ sowie „Tank- und Wartungsklappen müssen sicher verriegelt sein, Nummernschilder müssen vorschriftsmäßig und sicher befestigt sein.“
Der BMW des Klägers ist jedoch – serienmäßig – mit einem Tankdeckel ohne Verriegelungsmöglichkeit ausgestattet.
Bereits nach dem Waschvorgang zeigte der Kläger der Beklagten an, dass der Tankdeckel abgerissen und das Fahrzeug am Kotflügel beschädigt worden sei.
Der Kläger verlangte daher nun Reparaturkosten in Höhe von 1.502,86 EUR netto als Schadensersatz sowie die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen.
2. Entscheidung
Das Amtsgericht Bonn holte ein Gutachten von einem Sachverständigen ein und gab dem Kläger zunächst Recht.
Das Landgericht Bonn hingegen wies die Klage jedoch im Berufungsverfahren bereits ab. Es führte aus, dass der Vertrag über die Fahrzeugreinigung ein Werkvertrag sei, bei dem ein Schadensersatz aufgrund der Verletzung einer Schutzpflicht möglich sei. Dies wäre der Fall, wenn der Betreiber der Waschanlage seine Hinweispflicht zur Nutzung der Waschanlage verletzt hätte.
Das Landgericht Bonn führte aus, dass die Beklagte ihrer Hinweispflicht ausreichend nachgekommen sei. Dass der Fahrzeughersteller in seinen Bedingungshinweisen nicht darauf hingewiesen habe, dass der Tankdeckel sich selbsttätig öffne, sei der Beklagten nicht anzulasten. Des Weiteren sei der Hinweis der Beklagten, dass die Tank- und Wartungsklappe sicher verriegelt sein müsste, ausreichend, um die Gefahr des Abreißens zu vermeiden. Es sei von der Beklagten nicht zu erwarten, dass sie fahrzeugspezifische Hinweise anbringt.
Der Beklagten könnte nur vorgeworfen werden, wenn sie positive Kenntnis von der Besonderheit der Fahrzeugreihe gehabt hätte. Dies sei jedoch seitens des Klägers nicht nachgewiesen worden und könne auch nicht vermutet werden.
Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung des Landgerichts Bonn nun gefolgt.
Er hat ebenfalls festgestellt, dass es sich um einen Werkvertrag mit Schutzpflichten handelt, der für einen Schadensersatzanspruch eine Pflichtverletzung der Beklagten voraussetzt.
Für die Feststellung einer Pflichtverletzung gelten die Maßstäbe der Verkehrssicherungspflichten. Derjenige, der eine Gefahrenlage – wie durch den Betrieb einer Waschanlage – schafft, ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden bei anderen zu verhindern. Dafür genügt es, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – Betreiber von Waschanlagen – für ausreichend halten darf und die ihm zuzumuten sind.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Anlagenbetreiber über die mit der Nutzung der Anlage einhergehenden Gefahren in geeigneter, ihm zumutbarer, ausreichend deutlicher und verständlicher Weise informiert hat.
Die Pflichtverletzung muss der Kläger darlegen und beweisen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten liegen.
Der Schaden ist jedoch vorliegend durch das selbsttätige Öffnen des Tankdeckels durch Druck auf den Deckel während des Waschvorgangs entstanden. Dies ist auf die fehlende Verriegelungsmöglichkeit der Fahrzeugreihe zurückzuführen und fällt daher nicht in den Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten.
Eine Verletzung der Hinweispflicht schloss der Bundesgerichtshof ebenfalls aus, weil die Beklagte mit dem Hinweis „Tank- und Wartungsklappen müssen sicher verriegelt sein“ über die Gefahr der Öffnung des Tankdeckels in der Anlage ausreichend informiert hat. Die Formulierung „sicher verriegelt“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch auch mehr als lediglich „geschlossen“, sodass die Wichtigkeit des Verschlusses hervorgehoben wurde.
Die Beklagte musste den Kläger auch nicht über die Besonderheit der Fahrzeugreihe informieren, solange er keine positive Kenntnis von dem Umstand hatte.
Im Urteil mit dem beschädigten Heckspoiler hatte der Bundesgerichtshof eine Pflichtverletzung hingegen bejaht und den Unterschied darin gesehen, dass ein Autofahrer darauf vertrauen können müsse, mit seinem serienmäßig ausgestatten Auto unbeschadet aus einer Waschanlage herauszukommen.
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