Verbraucherpreisindex im August 2023:
+6,1 % zum Vorjahresmonat
+0,3 % zum VormonatDabei stiegen im August 2023 die Preise für Nahrungsmittel im Vergleich zum Vorjahresmonat mit +9,0 % weiterhin überdurchschnittlich. Der Anstieg der Energiepreise lag im August 2023 mit +8,3 % gegenüber dem Vorjahresmonat nun wieder oberhalb der Vorjahresveränderungsrate des Gesamtindex. Grund dafür ist unter anderem der sogenannte Basiseffekt infolge des niedrigen Indexstands im August 2022, welcher den Maßnahmen des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung geschuldet war.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023
Die EZB entscheidet diese Woche über die Zinsen im Euroraum.
Dabei steht sie vor einem schwierigen Spagat: einer hohen Inflation und einer sich abkühlende Wirtschaft müssen gleichermaßen Rechnung getragen werden.
Die Sommerprognose der Europäischen Kommission für die Eurozone im Jahr 2023 liegt derzeit bei nur noch 0,8 Prozent. Für Deutschland wird eine Rezession von – 0,4 Prozent erwartet.
Schwierige Zeiten also. Umso erfreulicher, dass der BGH das selbständige Beweisverfahren seiner Stellung als „sicherer Hafen“ wieder ein Stück nähergebracht hat (hierzu weiter unten die Entscheidung im Detail).
Vorsicht im Bieterverfahren bei Leistungspositionen mit dem Zusatz „oder gleichwertig“!
Enthalten Teilleistungsbeschreibungen neben der Benennung des Leitproduktes den Zusatz „oder gleichwertig“ ohne konkrete Produktangaben (Hersteller- und Typenbezeichnung) der gleichwertigen Leistungen zu benennen, kann der Auftragnehmer verpflichtet sein, das vom Auftraggeber im Leistungsverzeichnis vorgeschlagene Produkt zu verwenden.
Das OLG Celle hatte sich mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zu befassen, welche ein Auftraggeber (AG) ausgesprochen hatte, da der Auftragnehmer (AN) ein vom Leitprodukt abweichendes „gleichwertiges“ Produkt verbaut hatte.
Dabei hatte das Leistungsverzeichnis (LV) als Teil der Vergabeunterlagen ausdrücklich ein bestimmtes Produkt benannt, verbunden mit dem Zusatz „oder gleichwertig“. Es fehlten jedoch weitere Merkmale zur Konkretisierung der gleichwertigen Produkte (Hersteller- oder Typenbezeichnung).
Diese Formulierung übernahm auch der AN in sein bepreistes Angebot. Auch er benannten hierbei keine aus seiner Sicht gleichwertigen Produkte. Später verbaute er schließlich nicht das konkret angegebene Leitprodukt, sondern ein aus seiner Sicht gleichwertiges Produkt.
In seinem Angebotsschreiben hatte der AN jedoch folgende, vom AG gestellte Regelung, akzeptiert und unterschrieben:
Ich/wir erkläre(n), dass (…) das vom Auftraggeber vorgeschlagene Produkt Inhalt meines/unseres Angebotes ist, wenn Teilleistungsbeschreibungen des Auftraggebers den Zusatz „oder gleichwertig“ enthalten und von mir/uns keine Produktangaben (Hersteller- und Typenbezeichnung) eingetragen wurden.“
Das OLG Celle entschied nun: eine solche, vom Auftraggeber vorformulierte Regelung benachteiligt den AN nicht unangemessen und ist weder überraschend noch intransparent.
Damit hätte der AN das angegebene Leitprodukt verbauen müssen.
Fazit: der AG war zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des VOB/B Vertrages berechtigt, da der AN ein anderes als das vertraglich vereinbarte Produkt verwendet hatte, was seine Leistung aus Sicht des Gerichts mangelhaft machte.
(OLG Celle, Urteil vom 14.12.2022 – 14 U 44/22)
Anmerkung:
Vergaberechtlich ist die Verwendung der Formulierung „oder gleichwertig“ nicht unproblematisch.
Zwar kann einem sogenannten Leitprodukt/Wunschfabrikat der Zusatz „oder gleichwertig“ beigefügt werden. Dies ermöglicht den Bietern auch andere Fabrikate oder Produkttypen mit gleichen Eigenschaften in ihrem Angebot vorzuschlagen.
Allerdings ist es erforderlich, dass die Vergabestelle Parameter festlegt, die erfüllt sein müssen, damit von einem gleichwertigen Produkt gesprochen werden kann. Tut sie dies nicht, kann im Einzelfall ein Verstoß gegen die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung vorliegen mit der Folge, dass die Ausschreibung aufzuheben sein wird (§ 7 Absatz 1 Nr. 1 VOB/A).
Leichter wohnen: doch keine erleichterte Schaffung von Wohnraum über § 13 b BauGB!
Der Bundesgesetzgeber hatte in § 13a Baugesetzbuch (BauGB) die Schaffung von Wohnraum durch ein vereinfachtes Prüfungsverfahren für Bebauungspläne erleichtert. Konkret konnte von einer sonst gebotenen Umweltprüfung abgesehen werden und es bedurfte keines Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft.
Mit einem neu geschaffenen § 13b BauGB waren diese Erleichterungen auch auf Flächen im Außenbereich von weniger als 10.000 Quadratmeter Flächengröße ausgedehnt worden.
Das BVerwG in Leipzig hatte nun über die Rechtswidrigkeit eines konkreten Bebauungsplans zu entscheiden, welcher unter den erleichterten Voraussetzungen der §§ 13a und 13b BauGB – also insbesondere ohne die sonst gebotene Umweltprüfung – erlassen worden war.
Eine Entscheidung mit Paukenschlagcharakter: die unterlassene Umweltprüfung verstößt gegen die sogenannte SUP-Richtlinie (Richtlinie über die strategische Umweltprüfung)!
Hiernach ist gemäß Art. 3 SUP-Richtlinie bei Plänen, die erhebliche Umweltauswirkungen haben, eine Umweltprüfung zwingend durchzuführen. Diese erheblichen Umweltauswirkungen seien nicht von vornherein ausgeschlossen, was dazu führe, dass § 13b BauGB wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden könne.
Konkret hätte daher eine Umweltprüfung durchgeführt und ein Umweltbericht erstellt werden müssen. Da dieser Fehler auch innerhalb der Jahresfrist nach §§ 214, 215 BauGB gerügt worden war, stellte das Gericht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans fest.
Für laufende Verfahren bedeutet dies, dass die Umweltprüfung nachgeholt und ein Umweltbericht erstellt werden muss. Anschließend ist zumindest für den Umweltbericht die Öffentlichkeitsbeteiligung zu wiederholen.
(BVerwG Urt. V. 18.07.2023, Az. 4 CN 3.22)
Kehrtwende in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum selbständigen Beweisverfahren!
Die Karlsruher Richter stellen für das Ende der Hemmung der Verjährung jetzt einheitlich auf den Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens in seiner Gesamtheit ab. Die Parteien sind nicht mehr gezwungen, Ansprüche wegen einzelner Mängel vorab gesondert einzuklagen, um ihre Verjährung zu vermeiden.
BGH, Urteil vom 22.06.2023 – VII ZR 881/21
1. Sachverhalt:
Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) im August 2005 mit der Herstellung einer Betonfertigteilfassade.
Nach Fertigstellung rügte der AG verschiedene Mängel in der Fassade und beantragte die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Der hinzugezogene Sachverständige stellte dann auch tatsächlich zwei verschiedene Mängel fest.
In seiner Stellungnahme zu dem Gutachten nahm der AG jedoch nur Bezug auf einen der festgestellten Mängel und äußerte sich zu dem zweiten Mangel nicht. Hinsichtlich dieses einen Mangels wurde das Beweisverfahren dann auch fortgesetzt.
Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens reichte der AG seine Klage wegen beider Mängel ein.
Im Berufungsverfahren gab das OLG Stuttgart überraschend der Klage hinsichtlich jenes Mangels statt, welcher frühzeitig ausbegutachtet worden war und vertrat hierzu folgende Ansicht: das Beweisverfahren habe bis zu seinem Abschluss auch die Verjährung hinsichtlich dieses Mangels gehemmt.
Daraufhin legte die Beklagte im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung Revision ein.
2. Entscheidung:
Ohne Erfolg! Der BGH stimmte dem Berufungsgericht zu. Das selbständige Beweisverfahren habe die Verjährung hinsichtlich beider Mängel nicht nur bis zur jeweiligen Stellungnahmefrist gehemmt, sondern nach § 204 Abs.2 S. 1 BGB bis zum Abschluss des gesamten Beweisverfahrens.
Damit richtet sich das Ende der Verjährungshemmung für alle geltend gemachten Mängel nach dem Abschluss des Beweisverfahrens insgesamt.
Der BGH begründet seine Rechtsprechungsänderung zum einen mit dem Wortlaut des § 204 Abs. 2 S.1 BGB. Gemäß § 204 Abs. 2 S.1 BGB endet die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder „der anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“.
Demnach muss das Verfahren insgesamt sachlich erledigt sein und eine teilweise Beendigung hinsichtlich einzelner von mehreren Beweisgegenständen reicht dem Wortlaut her nicht aus.
Des Weiteren stützt sich der BGH auf den Sinn und Zweck der Norm. Der der Norm innewohnende Rechtsverfolgungswille des Gläubigers bleibt auch dann für den Schuldner weiterhin erkennbar, wenn die Parteien, im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens bezüglich eines von mehreren Mängeln, keine Fragen an den Sachverständigen stellen oder Einwendungen gegen das Gutachten haben. Auch wenn die Beweissicherung betreffend eines Mangels abgeschlossen ist, muss der Schuldner also weiterhin mit einer Inanspruchnahme rechnen.
Der BGH stellt allerdings auch klar, dass lediglich Ansprüche aus denjenigen Mängeln gehemmt werden, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sind und nicht allgemein alle Mängelansprüche aus dem betreffenden Werkvertrag.
Fazit:
Die Erhebung der Klage im Hauptsacheverfahren hinsichtlich einzelner „ausbegutachteter“ Mängel, bei zeitgleich fortgeführten selbständigen Beweisverfahren hinsichtlich der noch zu begutachtenden Restmängel, ist unter Gesichtspunkten der Verjährung nicht mehr geboten und dürfte daher bis auf besonders gelagerte Einzelfälle der Vergangenheit angehören.
Denn die Verjährung beginn nun erst, wenn das selbständige Beweisverfahren als Ganzes seinen Abschluss gefunden hat.
Die frühere Rechtsprechung des BGH hierzu wird mit diesem Urteil aufgegeben (BGH, Urteil vom 03.12.1992, VII ZR 86/92).
Der Grundsatz, wonach die Einleitung eines Gerichtsverfahrens die Verjährung von Ansprüchen hemmt, diese Hemmung jedoch nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet, ist nunmehr so zu verstehen, dass es auf das Ende der gesamten Beweisaufnahme ankommt und zwar unabhängig davon, ob die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer Mängel durch einen oder mehrere Sachverständige stattfindet.
Mit der neuen Entscheidung hat der BGH das selbständige Beweisverfahren deutlich aufgewertet und hat es seiner Funktion als „sicherer Hafen“ wieder ein Stück nähergebracht. Zudem hat es im Sinne der Prozessökonomie gehandelt, da nunmehr keine parallelen Klageerhebungen vor Beendigung des eigentlichen Beweisverfahrens mehr geboten sind.