Rechtsanwaltskanzlei

Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln für Verbraucher und Maßstab für die Prüfung einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers

Inflationsrate erneut gesunken
2,5 %

Tarifverdienste 2023 gestiegen
+3,7 % höher als im Vorjahr

Die Inflationsrate ist auf den niedrigsten Wert seit Juni 2021 (2,4 %) gesunken. Sie betrug in Deutschland im Februar 2024 2,5 %. Die durchschnittliche Inflationsrate im Beobachtungszeitraum von 1960 bis 2022 lag bei jährlich 2,7 %.

Die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen sind demgegenüber in Deutschland im Jahr 2023 im Durchschnitt um 3,7 % gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2022 gestiegen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich in dem Zeitraum um 5,9 %.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Leserinnen und Leser,

langsam, aber sicher kehrt der Frühling in weiten Teilen des Landes ein und das erste Viertel des Jahres neigt sich bereits dem Ende zu.

AKTUELLES AUS BRÜSSEL

Die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Kein Ende ist hingegen bei den Verhandlungen über den Erlass der viel diskutierten Europäischen Lieferkettenrichtlinie in Sicht.

Am 14. Dezember 2023 haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat eine vorläufige Einigung zur Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erzielt.
Der endgültige Richtlinientext muss jedoch noch formal verabschiedet werden. Derzeit liegt keine endgültige Fassung vor, da die Details noch nicht abschließend verhandelt wurden.

Das Ziel der Richtlinie ist es, Umwelt und Menschenrechte in der EU und weltweit zu schützen.

Die Richtlinie betrifft große EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 150 Mio. €. Nicht-EU-Unternehmen sind unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl betroffen, wenn sie innerhalb der EU einen Nettoumsatz von über 150 Mio. € erzielen.

EU-Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 40 Mio. € fallen ebenfalls unter die Richtlinie, wenn von den 40 Mio. € mehr als 20 Mio. € in bestimmten Risikosektoren erwirtschaftet werden. Risikosektoren sind: Herstellung von Lebensmitteln und Getränken sowie der Bausektor.

Nicht-EU-Unternehmen, unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl, fallen unter die Richtlinie, wenn sie einen Umsatz von über 40 Mio. € bis maximal 150 Mio. € innerhalb der EU erzielen, wovon 20 Mio. € in einem der Risikosektoren erwirtschaftet werden.

EU- und Nicht-EU-Unternehmen, die durch Lizenz- oder Franchisevereinbarungen Lizenzgebühren von über 7,5 Mio. € generieren konnten und im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von über 40 Mio. € erzielt haben, fallen, unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl, ebenfalls unter die Richtlinie.

Anzumerken ist, dass die jeweiligen Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren erreicht werden.

Ausblick

Auf einen endgültigen Entwurf der Richtlinie konnte sich (noch) nicht geeinigt werden.

Derzeit ist jedoch auch nicht absehbar, ob der Entwurf der Richtlinie in der derzeitigen Fassung überhaupt formal verabschiedet wird.

Nicht zuletzt mit der wohl geplanten Enthaltung der Bundesregierung im Europäischen Rat, ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere EU-Mitgliedstaaten den Entwurf ablehnen.

Es bleibt also spannend.

ENTSCHEIDUNGEN IM DETAILL

1. Baurecht – Vertragliche Preissicherheit beim Hausbau: OLG Zweibrücken stärkt Verbraucherrechte

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.07.2023 – 5 U 188/22

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat in einem aktuellen Urteil zugunsten von Bauherren entschieden. Die Richter stellten klar, dass nicht jede vom Bauunternehmer vorgenommene Preiserhöhung durch den Bauherrn akzeptiert werden muss.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat darauf hingewiesen, dass eine Klausel in einem Bauvertrag, welche dem Unternehmer ermöglicht, die vereinbarte Vergütung aufgrund von Materialpreissteigerungen einseitig und unbegrenzt zu erhöhen, nicht rechtswirksam ist. In einem konkreten Fall sollte ein Massivhaus zu einem Pauschalpreis errichtet werden, jedoch verlangte das Bauunternehmen aufgrund gestiegener Materialkosten einen erheblichen Aufpreis.

Sachverhalt

Im Dezember 2020 beauftragte ein Ehepaar ein Bauunternehmen mit der Errichtung eines Massivhauses zum Pauschalpreis von 300.000 €.

Der Vertrag enthielt eine Klausel, die den Preis für ein Jahr nach Vertragsabschluss fixierte, sofern die Bauarbeiten innerhalb von drei Monaten beginnen. Obwohl der Baubeginn fristgerecht erfolgte, berief sich das Unternehmen im Juni 2021 auf die Preissteigerungen beim Baumaterial und verlangte eine Erhöhung um 50.000 €. Das Ehepaar lehnte ab und beharrte auf dem vereinbarten Pauschalpreis.

Nach fruchtlosem Schriftverkehr kündigte es den Vertrag und beauftragte ein anderes Unternehmen mit dem Bau, das höhere Kosten in Rechnung stellte. Infolgedessen verklagte das Ehepaar das ursprüngliche Bauunternehmen auf Erstattung der Mehrkosten.
Das Landgericht Kaiserslautern gab der Klage statt (Urt. v. 14.12.2022 – 2 O 274/22), woraufhin das Bauunternehmen Berufung einlegte. Es argumentierte, dass die Preissteigerungen existenzbedrohend seien und den Bau zum vereinbarten Preis unzumutbar machten.

Entscheidung

Das OLG Zweibrücken wies das Bauunternehmen auf die beabsichtigte Zurückweisung seiner Berufung hin, woraufhin dieses die Berufung zurücknahm.

Der 5. Zivilsenat begründete dies damit, dass den Eheleuten der geltend gemachte Ersatz zustehe. Die Weigerung des Unternehmens, zum vereinbarten Preis zu erfüllen, habe sie zur Vertragskündigung und zur Beauftragung eines anderen Unternehmens veranlasst. Die hierauf zurückzuführenden Mehrkosten des Baus habe das Unternehmen zu ersetzen. Das Unternehmen habe den Bau des Hauses zum vereinbarten Pauschalpreis geschuldet, die Preisanpassungsklausel im Vertrag sei unwirksam gewesen.

Sie benachteilige die Kunden unangemessen, da das Unternehmen die vereinbarte Vergütung durch die Festlegung der Listenpreise ohne Begrenzung einseitig anheben könne. Die Kunden könnten der Bestimmung bei Vertragsschluss nicht entnehmen, mit Preissteigerungen welchen Umfangs sie zu rechnen hätten. Gerade Besteller eines Neubaus seien darauf aber in besonderem Maße angewiesen. Häufig sei die ganze Finanzierung auf den Pauschalpreis ausgerichtet, so dass schon vermeintlich geringfügige Änderungen die Kunden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen könnten.

Das Unternehmen habe die Vertragserfüllung zum ursprünglich vereinbarten Preis auch nicht deshalb verweigern dürfen, weil sich die Vertragsgrundlage aufgrund unvorhersehbarer Materialpreissteigerungen geändert habe.

Denn das Unternehmen habe bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt, sich mit einer Bestimmung gegen dieses Risiko abzusichern, die auch den Interessen seiner Kunden ausreichend Rechnung getragen hätte.

Das Verfahren ist nunmehr rechtskräftig entschieden.

Praxishinweis

Vertragliche Vereinbarungen müssen genau geprüft werden.

Das Gericht betonte die Wichtigkeit einer genauen Prüfung der vertraglichen Vereinbarungen im Vorfeld eines Bauprojekts. Insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sollten sorgfältig auf ihre Fairness und Transparenz hin untersucht werden. Verbraucher müssen bei Vertragsschluss klar erkennen können, mit welchen Preissteigerungen sie rechnen müssen. Eine wirksame Preisanpassungsklausel sollte daher zumindest eine Obergrenze für die Erhöhung enthalten.

Fehlt eine solche Obergrenze oder ist die Klausel insgesamt unwirksam, kann der Bauunternehmer die Vertragserfüllung nicht unter Berufung auf gestiegene Materialkosten verweigern. Er ist in diesem Fall an den ursprünglich vereinbarten Pauschalpreis gebunden.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken stärkt die Rechte von Bauherren im Rechtsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchernund verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Vertragsprüfung. Im Zweifelsfall sollten Verbraucher einen Rechtsanwalt hinzuziehen, um ihre Interessen zu wahren.

2. Arbeitsrecht – Kündigung nach Schwenken eines Filetiermessers?

LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.07.2023 – 5 Sa 5/23

Einem Mitarbeiter, der seine Kollegin mit einem Messer bedroht hatte, wurde fristlos gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied jedoch, dass diese Kündigung unrechtmäßig war.

Sachverhalt

Ein seit 2019 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigter Industriemechaniker wurde fristlos gekündigt. Der Grund: Er soll eine Kollegin mit einem Messer bedroht haben.

Der Vorfall ereignete sich am 1. Juni 2022. Der Kläger und seine Kollegin arbeiteten an einem Probierstand, an dem eine Heringsanlage getestet werden sollte. Dabei kamen scharfe Filetiermesser zum Einsatz. Die Kollegin warf dem Kläger vor, er habe ein etwa 20 Zentimeter langes Messer in Höhe ihres Halses gehalten, wobei der Abstand zwischen Messer und Hals nur 10 bis 20 Zentimeter betragen habe. Die Arbeitgeberin sah darin eine Bedrohung und kündigte dem Kläger fristlos. Sie begründete dies mit einem irreparabel erschütterten Vertrauensverhältnis und erklärte, dass es für das Unternehmen und die bedrohte Kollegin unzumutbar sei, den Kläger weiter im Unternehmen zu beschäftigen.

Der Kläger bestreitet die Vorwürfe seiner Kollegin. Er habe das Messer niemals in Richtung ihres Halses gehalten, sondern lediglich in der Hand, um es zu benutzen.

Der Industriemechaniker hat gegen diese Kündigung eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 des Kündigungsschutzgesetzes eingereicht.

Entscheidung

Diese Klage war zunächst vor dem Arbeitsgericht Lübeck und später auch vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Vorfall keinen ausreichenden Kündigungsgrund darstellt.

Gemäß § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund liegt vor, wenn es für den Kündigenden unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Drohung eines Arbeitnehmers mit Gewalt gegen Kollegen grundsätzlich ein Kündigungsgrund sein kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Arbeitnehmer die Drohung vorsätzlich ausgesprochen hat und die bedrohte Person sie als ernst gemeint auffasst.

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht nicht feststellen, dass der Kläger die Kollegin tatsächlich bedrohen wollte. Selbst wenn die Schilderung der Kollegin den Tatsachen entsprach, sah das Gericht darin keinen ausreichenden Beweis für einen bedingten Vorsatz des Klägers. Es sei möglich, dass er das Messer einfach in der Hand hielt und sich dabei zu der Kollegin umdrehte, wodurch die Hand mit dem Messer unbeabsichtigt in die Nähe ihres Halses gelangte.

Eine fahrlässige Gefährdung von Leib und Leben rechtfertige im vorliegenden Fall ebenfalls keine außerordentliche Kündigung. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stelle zwar eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, aber eine Kündigung komme erst nach einer Abmahnung für eine ähnliche Pflichtverletzung in Betracht.

Das LAG hob zudem eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung auf, da diese nicht sozial gerechtfertigt war.

Die Entscheidung des LAG ist rechtskräftig.

Praxishinweis

Eine Drohung mit Gewalt gegen Kollegen kann grundsätzlich ein Kündigungsgrund rechtfertigen. Hierfür ist erforderlich, dass die Drohung vorsätzlich begangen wurde und ernst gemeint war. Eine fahrlässige Gefährdung rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung. Unerlässlich ist, die Vorfälle genau zu dokumentieren (Datum, Uhrzeit, Ort, Beteiligte, Inhalt der Drohung, Zeugen), um im Streitfalle gewappnet zu sein.

Fazit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein zeigt einmal mehr, dass jeder Vorfall einzeln zu betrachten und zu bewerten ist. Kein Fall gleicht dem anderen. Daher ist es umso wichtiger, Vorfälle genau zu dokumentieren und aufzuarbeiten.

Als überörtliche Kanzlei haben wir un­sere Wur­zeln in Berlin und Erlangen. Ein enga­giertes und qualifi­ziertes Team von Anwälten ist speziali­siert auf alle Fra­gen rund um das Wirt­schafts- und Bau­recht.
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