Rechtsanwaltskanzlei

KI-Wandel im Rechtsmarkt

Verwendung von KI im Rechtsmarkt
Die Entwicklung von generativen KI (GenAI) erlebt auch im Jahr 2024 weiterhin eine Hochphase. Immer mehr Kanzleien und Rechtsabteilungen setzen auf neue KI-Systeme, um ihre Arbeitsprozesse optimieren zu können. Mittlerweile gibt es ein wahres Füllhorn an unterschiedlichen Softwares, die man zur Lösung seiner rechtlichen Fragestellungen benutzten kann, und es kommen jeden Monat neue Systeme hinzu.

Die Future Ready Lawyer Studie 2024 von Wolters Klumer hat sich mit diesem Wandel beschäftigt und hat als Ergebnis eine Zuversicht bei den Jurist:innen festgestellt, mehr generative KI auch in Zukunft nutzen zu wollen. 76% der Jurist:innen in Rechtsabteilungen nutzen GenAI mindestens einmal pro Woche, ebenso 68% der Kolleg:innen in Kanzleien, wobei mehr als ein Drittel GenAI sogar täglich nutzen. Hauptanwendungsfälle sind die Effizienzsteigerung und die Reduzierung manueller Aufgaben im Zusammenhang mit juristischen Prozessen, bei denen die Verarbeitung zahlreicher Detailinformationen erforderlich ist.

60% erwarten hierbei, dass KI-getriebene Effizienzsteigerungen Auswirkungen auf das Modell der abrechenbaren Stunden haben werden. 58% der Kanzleien und 73% der Rechtsabteilungen von Unternehmen planen, ihre Investitionen in KI in den nächsten drei Jahren noch zu erhöhen.

Allerdings gaben 37% der Jurist:innen aus Kanzleien und 42% der Unternehmensjurist:innen an, dass sie Schwierigkeiten bei der Integration von KI in ihre bestehenden Systeme und Verfahren haben. Dies dürfte meistens daran liegen, dass die Verwendung von KI, mit den verschiedenen Prompts, noch erlernt werden muss und auch Erfahrung von Nöten ist, wie und was genau man in die KI einspeisen muss, um ein verwertbares Ergebnis zu erzeugen.

Bei der Verwendung von KI ist in diesem Sinne ein Vergleich mit der damaligen Einführung des Internets zu schließen. Hier gab es am Anfang ebenfalls Startschwierigkeiten, aber am Ende trat schnell ein Gewöhnungseffekt ein, und nun ist es täglicher Bestandteil unseres Lebens.

Quelle: u.a: Future Ready Lawyer Studie 2024 von Wolters Kluwer

I. Aktuelles

Die Vertrauensfrage
Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition steht nun die Vertrauensfrage im Raum.

Die Vertrauensfrage ist ein Antrag des Bundeskanzlers an den Bundestag, er möge ihm das Vertrauen aussprechen. Der formelle Antrag muss laut Artikel 68 Grundgesetz 48 Stunden vorher gestellt werden.

Nach Artikel 68 des Grundgesetzes kann sich der Bundeskanzler mit ihr vergewissern, ob seine Politik vom Bundestag unterstützt wird.

Stimmt die Mehrheit der Abgeordneten nicht zu, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, was zu Neuwahlen führt.

Sollte der Bundeskanzler die Vertrauensfrage am 15.01.2025 stellen, müsste der Antrag für diese somit am 13.01.2025 gestellt werden.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser könnte nach § 52 des Bundeswahlgesetzes die Fristen, die im Bundeswahlgesetz genannt sind, durch Rechtsverordnungen verkürzen. Unumstößlich sind hierbei die Fristen des Grundgesetzes.

Nach der Parlamentsauflösung bleiben laut Artikel 39 Grundgesetz maximal 60 Tage, um den Bundestag neu zu wählen.

II. Entscheidung im Überblick

In einem Einheitspreisvertrag als AGB vereinbarte Vertragsstrafe ist unwirksam, wenn die Obergrenze 5% der vorläufigen Auftragssumme beträgt.

BGH, Urteil vom 15.02.2024 – VII ZR 42/22

Die Klägerin (Auftragnehmerin) verlangte von der Beklagten (Auftraggeberin) die Zahlung von einem Restwerklohn. Die Beklagte machte ihrerseits eine Vertragsstrafe wegen Überschreitung der Frist für die Vollendung geltend und erklärte hilfsweise die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen. Streitpunkt war die Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der BGH entschied, dass die Vertragsstrafenklausel in den AGB der Beklagten bei der Verwendung in einem Einheitspreisvertrag gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Die Klausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, da sie die Vertragsstrafe an die vor Auftragsdurchführung vereinbarte Netto-Auftragssumme knüpft und somit die Grenze von 5% des Vergütungsanspruches des Auftragnehmers überschreiten kann. Dem entspricht es, dass für einen möglichen Schaden des Auftraggebers, den die Vertragsstrafe widerzuspiegeln hat, gleichfalls nicht die vor Ausführung des Auftrags vereinbarte, sondern die an den Auftragnehmer tatsächlich zu zahlende Vergütung (Abrechnungssumme) bestimmend ist. Eine Vertragsstrafe von mehr als 5% der Abrechnungssumme stehe nicht mehr in einem angemessenen wirtschaftlichen Verhältnis zum Werklohn, da der Auftraggeber durch den Verlust von über 5% der Vergütungssumme oftmals nicht nur seinen Gewinn verliere, sondern einen spürbaren Verlust erleide. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO unzulässig, jedoch nur weil die Sachdienlichkeit verneint wurde.

Fazit: Das Urteil des BGH stärkt die Position von Auftragnehmern gegenüber unangemessenen Vertragsstrafenklauseln in AGB von Auftraggebern. Insoweit ist jedem Auftraggeber empfohlen, gewissenhaft darauf zu achten, dass die verwirkte Vertragsstrafe insgesamt nicht höher als 5% der Abrechnungssumme sein darf. Diese kann bei einem Einheitspreisvertrag geringer ausfallen als die ursprüngliche Auftragssumme.

Zurechenbarkeit der Kenntnis von beauftragten Subunternehmern verhindert das einfache Bestreiten mit Nichtwissen des Bauträgers.

OLG Hamburg, Urteil vom 05.02.2024 – 4 U 44/22

Die Kläger erwarben vom Beklagten ein Wohnhaus, an dem der Beklagte umfangreiche Umbauarbeiten vorgenommen hatte. Daraufhin machten die Kläger Mängel an dem Gebäude geltend und verlangten vom Beklagten einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung sowie Schadensersatz. Streitpunkte waren die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht, das Vorliegen von Mängeln und die Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten.

Das Berufungsgericht bestätigte weitgehend das erstinstanzliche Urteil. Auf den Vertrag ist Werkvertragsrecht anwendbar, da die Umbauarbeiten mit einer Neuerrichtung vergleichbar sind. Der Beklagte haftet daher auch für Mängel an der Altbausubstanz. Die von der Klägerin gerügten Mängel an Neu- und Altbauteilen sind mangels substantiierten Bestreitens der Beklagten als zugestanden zu werten. Zur Mängelbeseitigung sind somit Aufwendungen von 317.060 EUR erforderlich. Ein vertraglicher Haftungsausschluss greift nicht ein. Die Kläger können den Vorschuss nur Zug-um-Zug gegen Leistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen.

Ein zentraler Aspekt dieses Urteils betraf die Frage, wie Bauträger auf Mängelrügen reagieren dürfen. Während der Beklagte im Prozess argumentierte, dass er viele der vorgebrachten Mängel nicht beurteilen kann, da die Arbeiten von Subunternehmern ausgeführt worden seien und zudem von der eigenen Beurteilung Abstand genommen hat, stellte das OLG Hamburg klar, dass der Bauträger das Vorliegen von Baumängeln nicht mit Nichtwissen bestreiten kann.

Vielmehr muss er die erforderlichen Kenntnisse über die Arbeiten von der von ihm beauftragten Subunternehmer beschaffen. Nach Auffassung des OLG muss sich der Bauträger daher die Kenntnis verschaffen, die ihm möglich ist. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der werkvertraglichen Stellung des Bauträgers, die ihn zur sorgfältigen Überprüfung der Mängelrügen verpflichtet. Das einfache Bestreiten der Mängel ohne eigene Prüfung oder näherer Angaben wurde vom Gericht als unzureichend bewertet. 

Fazit: Das Urteil konkretisiert die Haftung des Bauträgers beim Umbau von Altbauten und die Obliegenheiten der Parteien bei der Darlegung und dem Bestreiten von Mängeln.

Für Bauträger und Bauunternehmer ist dieses Urteil von erheblicher Bedeutung, da es die Grenzen des prozessualen Bestreitens und die Anforderungen an die Beweisführung im Bauprozess verdeutlicht. Die Entscheidung zeigt auf, dass Bauträger ihre vertraglichen Pflichten nicht durch ein pauschales Bestreiten von Mängeln umgehen können, sondern stets in der Verantwortung stehen, sich über die Leistungen ihrer Subunternehmer zu informieren und die Mängelrügen substantiiert zu beantworten.

III. Entscheidung im Detail

Eine Behinderungsmitteilung bei der Übermittlung eines Bauablaufplans ist keine Anordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B.

Beim Bau einer Starkstromleitung kam es aufseiten des Auftraggebers zu Verzögerungen. Eine Vertragsanpassung wegen Mehrkosten lehnte der BGH in Fortführung seiner Rechtsprechung ab. Die bloße Übersendung geänderter Ablaufpläne durch den Bauherrn sei keine preisändernde Bauanordnung nach der VOB/B.

BGH, Urteil vom 19.09.2024 – VII ZR 10/24

1. Sachverhalt:

Der Besteller beauftragte einen Unternehmer mit der Errichtung einer Starkstromanlage für ein Bauvorhaben, wobei die VOB/B mit einbezogen wurde. Der Baubeginn hätte im Juni 2018 sein sollen. Aber erst nachdem der Bauträger Anfang Juli 2018 eine Baubehinderung angemeldet hatte, schickte der Auftraggeber gegen Ende des Monats einen Bauablaufplan. Am 31. Januar 2019 übermittelte er dem Bauunternehmen dann einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Ausführung. Dieser sah eine Verschiebung der Abnahme vor. Hieraufhin verzögerten sich der Fortschritt und die Fertigstellung der Leistungen. Der Beginn verschob sich somit zunächst auf September 2019 und dann auf Oktober 2019. In der Zwischenzeit kam es zu weiteren fünf Baubehinderungen, die das Unternehmen monierte.

Der Unternehmer schloss daraufhin seine Arbeiten im November 2019 final ab und forderte 57.000 EUR an Mehrkosten für Personal, Baucontainer und die im Jahr 2019 gestiegenen Tariflöhne.

Als der Bauherr sich weigerte, die eingeforderten Mehrkosten in Höhe von rund 57.000 Euro für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne zu zahlen, zog der Unternehmer vor Gericht. Klage und Berufung scheiterten. Das OLG Dresden verneinte einen Mehrvergütungsanspruch wegen Verlängerung der Bauzeit nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Nach dieser Norm besteht ein Anspruch auf Preisanpassung unter Berücksichtigung von Mehrkosten, falls sich aufgrund von „Anordnungen“ des Auftraggebers die Grundlagen der Kalkulation ändern. Das Gericht kam aber zum Schluss, dass die Übermittlung der Bauablaufpläne am 23. Juli 2018 und am 31. Januar 2019 keine Anordnungen im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Die Anlagenbauer legte Revision ein, scheiterte aber auch damit.

2. Entscheidung:

Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll.

Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB. Dabei müssen Fälle von Mehrkosten aufgrund von Anweisungen des Auftraggebers von solchen abgegrenzt werden, die durch andere Vertragsstörungen entstanden sind.

Liegt eine Störung des Vertrages aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverlängerung führt und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungsstand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor.

Auch die Übermittlung von Baulaufplänen stellt keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch dann, wenn darin im Hinblick auf die Behinderung und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.

Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung dieses Anspruches. Der Auftraggeber ist im Grundsatz nicht verpflichtet, für den Auftragnehmer eine Baufreiheit zu einem bestimmten Zeitpunkt herzustellen. 

Fazit: Nach dem System der VOB/B kann eine Störung nur dazu führen, dass dem Unternehmer gemäß § 6 Abs. 2 VOB/B eine Bauzeitverlängerung zu gewähren ist bzw. ihm ein Anspruch aus § 642 BGB zusteht. Die Störungsmitteilung kann nicht als andere Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B verstanden werden, weil es aus der Sicht eines objektiven Unternehmers nichts anzuordnen gibt, was von dieser Norm erfasst wird.  

Die Entscheidung ist derweilen kritisch zu sehen. Es wird keine Aussage zur verwenderfeindlichen Auslegung von § 2 Abs. 5 VOB/B getroffen und auch ob die Planungsverantwortung des Bestellers eine Pflicht oder Obliegenheit ist, wird vom BGH offengelassen. Insoweit wird darauf abgestellt, dass dies nach der jeweiligen vertraglichen Gestaltung zu beurteilen und durch Auslegung des Vertrags der Parteien gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist.

Auch ob bei Anordnungen von Zwischenfristen oder von Verschiebungen, die nicht durch Behinderung bedingt sind eine Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B in Betracht kommt, lässt der BGH offen. Wenn der Auftraggeber die Bauzeit wegen einer bestehenden Behinderung verschiebt, die er zu vertreten hat, in Form einer objektiv zurechenbaren Pflichtverletzung, so richtet sich der Schadensersatzanspruch weiterhin nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B. Für den Fall der Obliegenheitsverletzung ist der Auftragnehmer auf den Entschädigungsanspruch gem. § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB verwiesen.

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