Das Salz in der Suppe: Redewendung in Gefahr?
„Das Salz in der Suppe sein“ ist eine Redewendung welche nahelegt, dass eine bestimmte Zutat eine Sache erst vervollständigt und interessant macht. Muss die Redewendung aufgegeben werden, da sie ungesundes Verhalten verharmlost und damit nicht mehr zeitgemäß ist?
Eine Studie der Fachzeitschrift Gastric Cancer erfuhr breites mediales Echo mit der Feststellung, häufiges Nachsalzen erhöhe das Risiko für Darmkrebs um 41%. „Nachsalzen erhöht das Risiko für Magenkrebs um 41 Prozent“ und ähnlich lauteten die hierzu erschienenen Schlagzeilen. Tatsächlich hatten die Macher der Studie einen absoluten Anstieg des Darmkrebsrisikos von nur 0,05 % in einen relativen Anstieg von 41 % umgerechnet.
Die Studie wurde damit zur „Unstatistik des Monats“ Mai 2024 gewählt. Zur Erklärung: mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.
Da wir an dieser Stelle unserer Depeschen jeden Monat Statistiken veröffentlichen oder aus ihnen zitieren, möchten wir diesen Monat darauf hinweisen, dass grundsätzlich keiner Statistik zu trauen ist, welche man nicht selbst gefälscht hat (frei nach Winston Churchill, 1874-1965).
Quelle u.a: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Salz in die Wunde: Milliardenverluste und Stellenabbau bei der Deutschen Bahn. Die Deutsche Bahn will nach einem erneuten Milliardenverlust (allein 1,2 Milliarden Verlust im ersten Halbjahr) 30.000 Stellen streichen, um finanziell wieder auf Kurs zu kommen. Bereits im laufenden Jahr sollen 1.500 Jobs wegfallen. Aktuell ist
der Bahn-Konzern mit 33 Milliarden Euro verschuldet.
Die Konzernspitze der Deutschen Bahn reagierte jedoch auf Kritik an ihren Sparplänen beim Personal mit der Versicherung, es werde „nicht am Kunden und an der Sicherheit“ gespart.
Zuletzt transportierte die Bahn deutlich weniger Güter und verlor im Fernverkehr viele Fahrgäste.
Maßgebende Regeln der Technik bei Änderung zwischen Vertragsschluss und Abnahme.
BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14
In dieser bereits älteren jedoch stets aktuellen Entscheidung ging es um einen Vertrag über die Errichtung dreier Pultdachhallen in verzinkter Stahlkonstruktion. Hierbei wurde die Geltung der VOB/B vereinbart.
Stark vereinfacht dargestellt, kam es nach Vertragsschluss zu einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik hinsichtlich der Errichtung des versprochenen Werkes, deren Beachtung eine Verteuerung der Ausführung bedeutete.
Im Rahmen der Auseinandersetzung rund um eine Rechnung des Auftragnehmers stelle sich die Frage des Vergütungsanspruch hinsichtlich der teureren Ausführungsvariante. Steht dem Auftragnehmer ein solcher Vergütungsanspruch zu?
Grundsätzlich ja!
Soweit der Auftragnehmer die Beachtung der neuen Regeln der Technik verlangt und eine Vertragsauslegung auch nicht ergibt, dass der Auftragnehmer hinter diesen neuen Regeln zurückbleiben darf.
Der Auftragnehmer schuldet gem. § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Dies gilt auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme.
Treten solche Änderungen der allgemeinen Regeln der Technik nach Vertragsschluss ein, hat der Auftragnehmer den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung zu informieren. Ausnahme: wenn diese dem Auftraggeber bereits bekannt sind oder sich ohne Weiteres aus den Umständen ergeben.
Der Auftraggeber hat sodann im Regelfall zwei Optionen. Der Auftraggeber kann zum einen die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangen mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung erforderlich werden kann, als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Parteien vorgesehen. Der Auftragnehmer kann, soweit hierfür nicht von der Vergütungsvereinbarung erfasste Leistungen erforderlich werden, im Regelfall eine Vergütungsanpassung nach §§ 1 Absatz 3 oder 4, 2 Absatz 5 oder 6 VOB/B verlangen.
Der Auftraggeber kann zum anderen jedoch auch von einer Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit von einer etwaigen Verteuerung des Bauvorhabens absehen.
Fazit: Da letzteres seltener der Fall sein wird, ist eine Veränderung der anerkannten Regeln der Technik stets im Hinblick auf das darin liegende Nachtragspotential im Auge zu behalten und dem Auftraggeber anzuzeigen.
Mieter für rechtzeitigen Mieteingang beim Vermieter verantwortlich: Vorfälligkeitsklausel ist unwirksam
AG Schöneberg, Urteil vom 11.07.2024 – 105 C 21/24
Immer wieder müssen die Gerichte über die Wirksamkeit von Klauseln in Mietverträgen entscheiden, welche als allgemeine Geschäftsbedingungen zu werten sind. Hierzu zählen auch die sogenannten Vorfälligkeitsklauseln.
Die Vorfälligkeitsklausel „Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf die Ankunft bzw. Gutschrift des Betrages an.“ ist unwirksam, weil sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung das Risiko einer durch den Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorgangs auferlegt (so auch BGH Urteil vom 05.10.2016).
§ 556b Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der vereinbarten Zeitabschnitte zu entrichten ist. Hierbei kommt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung im Überweisungsverkehr jedoch nicht darauf an, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist.
Fazit: Es genügt, dass der Mieter seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt hat.
Mietkaution: Aufrechnung mit verjährtem Schadensersatzanspruch nach Beendigung des Wohnungsmietvertrages und Rückgabe der Wohnung
Gem. § 215 Alt. 1 BGB steht die Verjährung der Aufrechnung nicht entgegen, wenn die nun verjährte Forderung in dem Zeitpunkt, in dem die Aufrechnung erstmals möglich war, noch nicht verjährt war.
Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die Aufrechnung des Anspruchs des Mieters auf Rückzahlung der Kaution mit einem verjährten Schadensersatzanspruch auch dann möglich ist, wenn sich die Ansprüche mangels Gleichartigkeit nie unverjährt und aufrechenbar gegenüberstanden.
BGH, Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 184/23
1. Sachverhalt:
Die Klägerin war bis November 2019 Mieterin einer Wohnung des beklagten Vermieters. Als Sicherheit für Ansprüche aus dem Mietverhältnis hatte sie eine Barkaution bei Mietbeginn geleistet.
Nach Beendigung des Wohnungsmietverhältnisses verlangte die Klägerin nun die Rückzahlung dieser geleisteten Barkaution einschließlich Zinsen in Höhe von 785,51 Euro.
Im Mai 2020 rechnete der Beklagte über die Kaution ab. Er stellte ihr nach seiner Behauptung bestehende Gegenforderungen wegen Beschädigung der Mietsache in Höhe von 1.175,00 Euro gegenüber und erklärte die Aufrechnung mit diesen.
Das Amtsgericht hat der Klage auf Rückzahlung der Kaution stattgegeben. Die Berufung des Beklagten vor dem Landgericht blieb ohne Erfolg. Die anschließende Revision des Beklagten vor dem Bundesgerichtshof war erfolgreich.
2. Entscheidung:
Das Berufungsgericht hatte seine Entscheidung darauf gestützt, dass sich die Forderungen der Parteien nie unverjährt und aufrechenbar gegenüberstanden. Die Aufrechnung des Beklagten scheitere daher wegen § 390 BGB.
Der Beklagte als Vermieter sei verpflichtet, die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses an die Mieterin zurückzuzahlen, sobald er sie nicht mehr zur Sicherung seiner Ansprüche benötigt. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass dem Vermieter keine Ansprüche mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Kaution befriedigen kann.
Die Befriedigung erfolgt durch Aufrechnung des Vermieters gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch. Daher müsse die Aufrechnung noch möglich sein.
Schadensersatzansprüche des beklagten Vermieters sind zunächst auf Naturalrestitution gerichtet, also auf die Beseitigung des Schadens. Die Aufrechnung ist gem. § 387 BGB nur möglich, wenn die gegenüberstehenden Forderungen gleichartig sind, also auf die gleiche Sache gerichtet sind. Daher musste der Vermieter vor oder mit der Aufrechnung erklären, dass er statt der Naturalrestitution den Ersatz des Schadens in Geld verlangt (Ausübung der Ersetzungsbefugnis). Erst dann stehen sich die Forderungen aufrechenbar gegenüber.
Der Beklagte übte seine Ersetzungsbefugnis allerdings erst mit Erklärung der Aufrechnung im Mai 2020 aus. Ansprüche des Vermieters auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache verjähren gem. § 548 Abs. 1 BGB bereits sechs Monate nach Rückgabe der Mietsache. Zum Zeitpunkt seiner Erklärung waren seine Schadensersatzansprüche somit bereits verjährt. Die Aufrechnung des Beklagten sei daher, so das Berufungsgericht, gem. § 390 BGB unwirksam.
Der Beklagte könne sich auch nicht auf § 215 Alt. 1 BGB berufen, der die Aufrechnung mit einer verjährten Forderung ermöglicht, wenn sich die Forderungen im unverjährten Zustand bereits aufrechenbar gegenüberstanden. Diese Voraussetzung ist gerade nicht erfüllt. Die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung der Kaution und der Anspruch des Beklagten auf Schadensersatz in Geld standen sich wegen der Ausübung der Ersetzungsbefugnis erst nach Ablauf der Verjährungsfrist nie unverjährt und aufrechenbar gegenüber.
Diese Entscheidung trägt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes den beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht ausreichend Rechnung.
Die Kaution diene gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters und solle daher seine einfache Befriedung ermöglichen. Deshalb sei die Barkautionsabrede im Wohnungsmietvertrag typischerweise so zu verstehen, dass die Möglichkeit des Beklagten, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist scheitern solle.
Der Vermieter solle sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können. Daher habe er nach Ende des Mietverhältnisses eine angemessene Überlegungs- und Abrechnungsfrist. Diese Frist könne je nach den Umständen des Einzelfalles die sechsmonatige Verjährungsfrist seiner Ansprüche gegen den Mieter überschreiten. Daher dürfe sich der Vermieter, wie bereits seit längerem höchstrichterlich entschieden, mit der Rückzahlung der Kaution länger als sechs Monate Zeit lassen.
Wegen § 215 Alt. 1 BGB könne er auch nach Ablauf der Verjährungsfrist die Kaution noch nutzen, um sie gegen seine Schadensersatzansprüche aufzurechnen.
Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn die Anwendung von § 215 Alt. 1 BGB alleine deshalb scheitern würde, weil der Vermieter in unverjährter Zeit seine Ersetzungsbefugnis nicht ausgeübt hat.
Gleichzeitig habe ein Mieter grundsätzlich kein Interesse daran, dass der Vermieter seine Ersetzungsbefugnis vor der Verjährung des Schadensersatzanspruches ausübt. Üblicherweise würde die Ersetzung konkludent mit der Aufrechnung erklärt. Eine – möglicherweise auch nur vorsorgliche – Ausübung der Ersetzungsbefugnis vor Verjährung bringe dem Mieter keine Vorteile. Bis zur Abrechnung des Vermieters über die Kaution, die nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen darf, wisse der Mieter ohnehin nicht, ob und in welcher Höhe der Vermieter sich auf Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Sache beruft. Fazit: Es ist keine isolierte Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist nötig, da dies dann lediglich eine Formalität darstellen würde..