Rechtsanwaltskanzlei

Übernahme der Gewerberäume im laufenden Mietvertrag sowie Wegfall von Leistungen im Bauvertrag

Die olympischen Spiele 2024 könnten sich hier positiv abheben. Viele Wettkämpfe wurden in bestehenden Stadien ausgetragen oder die Sportstätten sind einfach wieder abzubauen. Darüber hinaus hat es sich die Stadt zur Aufgabe gemacht, die Seine auch nach der Austragung der Langstreckenschwimmen für ihre Bürger zum Schwimmen freigeben zu können. Dazu baute die Stadt ein Regenrückhaltebecken für ca. 1,4 Mill EUR, um den ungeklärten Abfluss der Kanalisation nach starken Regenfällen zu regulieren. Dadurch soll eine weitere Verschmutzung der Seine verhindert werden.

I. Aktuelle Entscheidung im Überblick

1. Die Anordnung des Wegfalls von Leistungen ist keine Äquivalenzstörung im Sinne des § 2 VOB/B.
2. Eine AGB-Klausel in einem Einheitspreisvertrag, welche zur Berechnung der Vertragsstrafe in Höhe von 5 % auf die vereinbarte Nettoauftragssumme abstellt, ist unwirksam. Dies gilt auch, wenn unklar ist, ob sich die Berechnung der Vertragsstrafe auf die vereinbarte Nettoauftragssumme oder die Abschlussrechnungssumme bezieht.
3. Eine AGB-Klausel, welche einen Sicherungseinbehalt ohne zeitliche Begrenzung regelt, ist gleichfalls unwirksam.

    OLG Hamm, Urteil vom 05.07.2024 – 12 U 95/22; vorangehend: LG Arnsberg, Urteil vom 29.06.2022 – 4 O 456/19

    Dem Fall liegt ein VOB/B-Vertrag zugrunde, mit dem das bauausführende Unternehmen (AN) vom Bauherrn (AG) mit der Erstellung und dem Einbau von Metallbaufenstern sowie einer Pfostenriegelkonstruktion neben Sonnenschutz beauftragt wurde.
    Während der Ausführungszeit wurde der Bauentwurf geändert, so dass die ursprünglich geplanten und durch den AN bereits bevorrateten Fensterelemente nicht mehr verbaut wurden, sondern diese Leistung ersatzlos entfiel. Der AG prüfte nach Abschluss der klägerischen Leistungen die Schlussrechnungen und zog eine Vertragsstrafe ab.
    Das erstinstanzliche Landgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass der Entfall des Einbaus der Fensterelemente eine Preisanpassung gemäß § 2 VOB/B darstellen würde. Zudem sei der Abzug der Vertragsstrafe in der von der Beklagten berechneten Form gerechtfertigt.

    Dagegen wandte sich der AN mit seiner Berufung.

    Mit Erfolg!

    Dem AN steht ein Anspruch auf Restzahlung von Werklohn zu.

    1.
    Das Oberlandesgericht konnte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes nicht folgen. Es sah keinen Fall der sog. Äquivalenzstörung, welcher jedoch nach der Rechtsprechung des BGH vorliegen muss, um die Rechtsfolgen des
    § 2 VOB/B auszulösen.

    Der AG hatte hier nicht aufgrund einer geänderten Prognose der Mengen auf die Ausführung der Fensterelemente verzichtet bzw. stattdessen eine andere Leistung gefordert, sondern den ersatzlosen Entfall dieser Leistung nachträglich angeordnet.

    In solchen Fällen hat eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB zu erfolgen.

    2.
    Das Oberlandesgericht stellte darüber hinaus fest, dass die vom AG verwendete AGB-Klausel, welche auf die Nettoauftragssumme abstellt, unwirksam sei. In Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.02.2024 – VII ZR 42/22) wies es darauf hin, dass sich das Auftragsvolumen im Rahmen eines Einheitspreisvertrages bei einer generalisierenden Betrachtungsweise auch absenken könne, was dazu führt, dass mit der Anknüpfung an die Nettoauftragssumme die 5 %-Grenze der Vertragsstrafe – ggf. sogar in erheblichem Ausmaß – überschritten wird. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des AN gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar und lässt die Klausel unwirksam sein.
    Die mit Formulierung der Klausel (Nettoauftragssumme ohne weitere Klarstellung, dass damit die nach Abschluss des Auftrags geschuldete Vergütung gemeint ist) birgt nach Auffassung des Oberlandesgerichtes zudem eine Unsicherheit nach § 305c BGB, welche zu Lasten des AG als Verwender geht. Auch diese Intransparenz führt zur Unwirksamkeit der Klausel.

    3.
    Auch die vom AG verwendete AGB-Klausel, dass der Sicherungseinbehalt gegen eine Bankbürgschaft entsprechend der VOB/B abgelöst werden könne, ohne den Zeitraum des Einbehaltes zu regeln, benachteiligt den AN unangemessen. Die Formulierung ermöglicht es dem AG, die Bürgschaft nach Belieben zu befristen. Eine Befristung auf die Dauer der Gewährleistungsfrist hätte jedoch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden müssen.

      Fazit:

      Auch diese Entscheidung drückt wieder aus, dass Auftraggeber in die Formulierung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen große Sorgfalt walten lassen sollten.

      II. Entscheidung im Detail

      Vertragsübernahme mit Mieterwechsel: Räumungsanspruch des Neumieters?

      1. Vereinbaren der Vermieter, der Altmieter und der Neumieter, dass der Neumieter mit Wirkung für die Zukunft anstelle des Altmieters in den Mietvertrag mit dem Vermieter eintritt, folgt daraus regelmäßig kein unmittelbarer Anspruch des Neumieters gegen den Altmieter auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts an den Neumieter.

      2. Ohne konkrete Vereinbarung zu einem unmittelbaren Anspruch des Neumieters gegen den Altmieter auf Räumung und Herausgabe der Mieträume besteht auch kein unabweisbares praktisches Bedürfnis, weil die Umsetzung des Mieterwechsels über die Ansprüche in den jeweiligen schuldrechtlichen Vereinbarungen erfolgen kann. Der Vermieter hat danach einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mieträume aus § 546 Abs. 1 BGB gegen den Altmieter, während der Neumieter aus § 535 Abs. 1 BGB vom Vermieter die Überlassung des Besitzes verlangen kann.

        OLG Dresden, Beschluss vom 08.04.2024 – 5 U 1855/23

        1. Sachverhalt:

        In dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall begehrte der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.

        Die Beklagte hatte dem Kläger im Jahr 2019 Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB erteilt. Im Rahmen dessen schloss der Kläger mit der W-GmbH einen befristeten Mietvertrag über Gewerberäume ab.
        Noch während der Laufzeit dieses Mietvertrages wurde zwischen der W-GmbH, der Beklagten (vertreten durch den Kläger) und dem Einzelunternehmen des Klägers ein Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, welcher mit „Nachtrag zum Mietvertrag vom 13.10.2020 Vertragspartnerwechsel und Übernahmevereinbarung zum 01.03.2022“ überschrieben war. Demnach sollte die Beklagte mit Wirkung zum 01.03.2022 aus dem Mietvertrag austreten und das Einzelunternehmen des Klägers alle Rechte, Pflichten und Regelungen des bestehenden Mietverhältnisses übernehmen.

        Die Beklagte räumte die Gewerberäume nicht, sondern forderte stattdessen den Kläger zur Herausgabe der Handlungsvollmacht auf. Diese habe sie vor Abschluss des Nachtrages für kraftlos erklärt. Zudem sei diese Nachtragsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen, beziehe sich nicht auf das streitgegenständliche Mietobjekt und würde zudem nicht die gesetzlich geforderte Schriftform einhalten.

        Das Landgericht gab der Räumungsklage statt, wogegen die Beklagte Berufung einlegte. Der Rechtsstreit wurde im Ergebnis übereinstimmend für erledigt erklärt.

        2. Entscheidung:

          Das Berufungsgericht stellte zunächst fest, dass nur noch über die Kostenfrage zu entscheiden ist, wobei für die Entscheidung maßgeblich ist, welche der Parteien im Verfahren voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.

          Nach Auffassung des Oberlandesgerichtes steht dem Kläger kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Gewerberäume gegen die Beklagte zu.

          Es führte dazu wörtlich aus:
          „Aus dem Wortlaut der Nachtragsvereinbarung vom 23.02.2022 ergibt sich unmissverständlich kein unmittelbarer Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Gewerberäume an ihn. Es handelt sich danach um einen Nachtrag zu dem Mietvertrag vom 13./22.10.2020 zwischen der Beklagten und der W… GmbH. Gegenstand der Vereinbarung vom 23.02.2022 war demzufolge die Abänderung einer im Verhältnis der Beklagten zur W… GmbH geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung. Die Abänderung sollte darin bestehen, dass die schuldrechtliche Vereinbarung, der Mietvertrag, zwischen der W… GmbH und der Beklagten zum 01.03.2022 endet und zugleich der Kläger mit seiner Einzelfirma G… D… in das Mietverhältnis eintritt, also eine schuldrechtliche Vereinbarung in Form eines Mietvertrages zwischen der W… GmbH und der Einzelfirma des Klägers zum 01.03.2022 beginnt. Im Rahmen des am 01.03.2022 beginnenden Mietverhältnisses sollte die Einzelfirma des Klägers alle Rechte, Pflichten und Regelungen aus dem bisher im Verhältnis der W… GmbH mit der Beklagten bestehenden Mietverhältnis übernehmen.

          Das Bestehen von unmittelbaren Ansprüchen im Verhältnis des Klägers zur Beklagten regelt die Vereinbarung vom 23.02.2022 dagegen nicht. Vielmehr beinhaltet sie (nur) die Beendigung eines Schuldverhältnisses zwischen der Beklagten und der W… GmbH und die Begründung eines Schuldverhältnisses zwischen der Einzelfirma des Klägers und der W… GmbH. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 23.02.2022 ergibt sich demzufolge auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume.

          Es gibt keinen schlüssigen Vortrag des Klägers dazu, dass ein entsprechender Anspruch des Klägers konkret anlässlich der Vereinbarung vom 23.02.2022 vereinbart worden wäre. Für einen unmittelbaren Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Mieträume besteht auch kein unabweisbares praktisches Bedürfnis, weil die Umsetzung des Mieterwechsels über die Ansprüche in den jeweiligen schuldrechtlichen Vereinbarungen erfolgen kann.“

          Es stellt sich damit gegen das erstinstanzliche Gericht, welches noch einen Räumungsanspruch bejahte. Begründet wurde dies mit der Nachtragsvereinbarung.

          Das Oberlandesgericht hat jedoch klargestellt, dass diese Nachtragsvereinbarung keine Vereinbarung zwischen der Beklagten als Altmieterin und dem Kläger als Neumieter enthält. Als dreiseitige Vereinbarung zwischen der W-GmbH, der Beklagten und dem Kläger enthält die Nachtragsvereinbarung Rechte und Pflichten für die jeweiligen Vertragspartner, jedoch keinerlei direkte Verpflichtung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Gewerberäume an den Kläger.

          Nach wohl korrekter Ansicht des Oberlandesgerichtes Dresden hat der Kläger als Neumieter einen Anspruch auf Überlassung der angemieteten Gewerberäume gegen die W-GmbH als Vermieterin. Die Vermieterin hingegen hat einen Räumungsanspruch gegen die Beklagte.

          Um eine Übergabe der Gewerberäume an den Kläger zu erreichen, oblag es zunächst der Vermieterin, ihren Räumungsanspruch durchzusetzen. Erst im Anschluss ist eine Erfüllung des klägerischen Anspruches aus dem Mietvertrag durch die W-GmbH möglich.

          Praxistipp:
          Derartige Konstellationen wie im vorgestellten Fall finden sich häufig im gewerblichen Mietrecht.
          Der Altmieter übergibt sein Unternehmen oder auch nur die Gewerberäume an einen Nachfolger, obwohl er noch an einen Mietvertrag gebunden ist. Oft werden in diesen Fällen Nachträge zum bereits bestehenden Mietvertrag geschlossen, welche jedoch den Fall, dass der Altmieter nicht räumt, nicht berücksichtigen.

          Es empfiehlt sich, in die Nachtragsvereinbarung neben einer ausdrücklichen Räumungsverpflichtung des Altmieters aufzunehmen, dass entweder
          a) der Vermieter verpflichtet wird, seinen Anspruch auf Räumung gegen den Altmieter frühzeitig durchzusetzen und eine entsprechende Haftung für den Vermieter einzusetzen
          oder
          b) sich als Neumieter den Räumungsanspruch des Vermieters abtreten zu lassen.

          Wenn die Parteien zustimmen, gibt es auch die Möglichkeit, dass der Altmieter hinsichtlich seiner Räumungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Dazu ist jedoch eine notarielle Beurkundung notwendig, welche Zeit und erhöhte Kosten nach sich zieht.

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