Rechtsanwaltskanzlei

Wer trägt das Werkstattrisiko?

Zahl der zugelassenen Pkw pro Kopf steigt in Deutschland

2012: 534 Pkw pro 1.000 Einwohner

2022: 583 Pkw pro 1.000 Einwohner

Die meisten Pkw pro Kopf befinden sich im Saarland (660 Pkw pro 1.000 Einwohner), die wenigsten in Berlin (338 Pkw pro 1.000 Einwohner). Insgesamt sind zum 01.01.2023 in Deutschland 48,8 Millionen Pkw zugelassen. Zum 01.01.2022 waren es noch 48,5 Millionen.

Auch die Zahl der Verkehrsunfälle ist gestiegen. Im Jahr 2023 fanden 2,5 Millionen Unfälle auf Deutschlands Straßen statt. Im Jahr 2022 waren es 4 % weniger.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023

Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Leserinnen und Leser,

das neue Jahr nimmt langsam Fahrt auf. Mit dem Jahreswechsel hat sich nicht nur in unserer Kanzlei einiges verändert. Auch Deutschland wandelt sich.

I. UNSER STANDORT IN KÖLN WÄCHST

Wir freuen uns, Ihnen unseren jüngsten Neuzugang der Kanzlei am Standort in Köln vorzustellen:

Frau Rechtsanwältin Hannah Flöck unterstützt seit dem 1. Januar 2024 die Kolleginnen und Kollegen am Standort Köln. Frau Flöck ist seit diesem Monat zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und verstärkt die baurechtliche Beratung bei FFW.

Aufgewachsen in einem kleinen Ort bei Frankfurt zog es sie ins schöne Rheinland nach Bonn. Dort absolvierte sie ihr Studium der Rechtswissenschaften mit einem Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht. Auf das 2. Staatsexamen bereitete sie sich von 2021 bis 2023 im OLG-Bezirk Köln vor.

Ihre Anwaltsstation machte Frau Flöck in einer mittelständischen Kanzlei im Bereich Immobilienwirtschaftsrecht. In der Wahlstation stattete sie unserer Hauptstadt einen kurzen Besuch ab. Diese verbrachte Frau Flöck beim Auswärtigen Amt in Berlin. Nach bestandenem zweiten Staatsexamen lockte jedoch wieder das Rheinland, und sie entschied sich für einen Berufseinstieg bei FFW.

In ihrer Freizeit findet man Frau Flöck häufig mit Freunden im Kino oder bei einem Picknick in den Bonner Rheinauen.

II. GESETZÄNDERUNGEN IM JAHR 2024

Auch 2024 bringt wieder einige neue und geänderte Gesetze mit sich. Die Wichtigsten haben wir hier für Sie zusammengefasst:

1. Energiepreise
Zum 31. Dezember 2023 lief die Energiepreisbremse, durch die Strom- und Gaspreise gedeckelt wurden, aus. Eine zunächst geplante Verlängerung bis März 2024 findet nicht statt. Zusätzlich erhöht sich die auf 7 % abgesengte Umsatzsteuer auf Gaslieferungen und Fernwärme im März 2024 wieder auf 19 %.

2. Erhöhung CO2 – Preis
Ab dem 1. Januar 2024 beträgt der CO2 – Preis 45 € statt 30 € pro Tonne ausgestoßenes CO2. Er wird erhoben auf Sprit, Gas und Heizöl. Die Einnahmen fließen in den Klima- und Transformationsfond.

3. Neues Gebäudeenergiegesetz
Am 1. Januar 2024 trat das neue Gebäudeenergiegesetz in Kraft. Jede neu eingebaute Heizung muss nun zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Zunächst gilt das Gesetz nur für Neubaugebiete. Für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gilt die Regelung ab 2026. Bis 2045 müssen sämtliche Heizungen mit fossilen Brennstoffen abgeschaltet werden.

4. Anstieg Rentenalter
Für Rentenversicherte, die im Jahr 1958 geboren wurden, steigt das reguläre Rentenalter auf 66 Jahre. Für später Geborene erhöht sich das Rentenalter in 2-Monats-Schritten weiter, bis 2031 die reguläre Altersgrenze von 67 Jahren erreicht ist.

5. Fachkräfteeinwanderung
Die Fachkräfteeinwanderung aus Nicht-EU-Staaten soll vereinfacht werden. Bereits zu November 2023 wurde der Personenkreis erweitert, der die „Blaue Karte EU“ (Aufenthaltstitel, meist für vier Jahre) beantragen konnte. Ab März 2024 wird nun auch der Aufenthalt in Deutschland zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen vereinfacht.

6. Mindestlöhne steigen
Zum 1. Januar 2024 stieg der Mindestlohn von 12 € auf 12,41 € pro Stunde. Im Januar 2025 wird er sich weiter erhöhen auf 12,82 € pro Stunde.

7. Gerüstbau
Die Möglichkeit vieler Gewerke, selbst Arbeits- und Schutzgerüste aufzustellen, wird eingeschränkt. Grundsätzlich dürfen Gerüste nur noch durch Gerüstbauer aufgestellt werden, die auch als solche in der Handwerksrolle eingetragen sind. Gewerke, die für ihre eigenen Arbeiten ein Gerüst aufstellen und es auch selbst verwenden, dürfen dies aber weiterhin tun.

8. Lieferkettengesetz
Bereits zum 1. Januar 2023 trat das Lieferkettengesetz in Kraft, durch das deutsche Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten und ökologischen Standards entlang der gesamten Lieferkette verantwortlich gemacht wurden. Ab dem 2. Januar 2024 sind Unternehmen mit min. 1.000 Arbeitnehmer*innen im Inland anstatt wie bisher mit min. 3.000 betroffen.

III. ENTSCHEIDUNG IM DETAIL

Wer trägt das Werkstattrisiko nach einem Verkehrsunfall – Schädiger, Geschädigter oder gar Zessionar?
Der Begriff „Werkstattrisiko“ wurde von der Rechtsprechung in Schadensersatzprozessen nach Verkehrsunfällen entwickelt. Er beschreibt, wer bezahlen muss, wenn die Reparaturwerkstatt unsachgemäß oder unwirtschaftlich arbeitet und dies in Rechnung stellt. Nach ständiger Rechtsprechung trägt dieses Risiko grundsätzlich der Schädiger. In einem Entscheidungsbündel hat der BGH diese Rechtsprechung nun konkretisiert.
BGH, Urteile von 16.01.2024 – VI ZR 239/22, VI ZR 253/22 und VI ZR 51/23

1. Sachverhalte

VI ZR 253/22

Die Klägerin, die auch Geschädigte ist, ließ ihr Unfallfahrzeug in einem Autohaus instand setzen. Die entsprechende Rechnung hat sie noch nicht beglichen. Der beklagte Haftpflichtversicherer hat den Rechnungsbetrag bis auf 1.054,46 € erstattet. Diesen Restbetrag machte die Klägerin gerichtlich geltend. Der Beklagte begründete seine Zahlungsverweigerung mit einem Prüfbericht eines Drittunternehmers, der um diesen Betrag geringere Reparaturkosten ausweist.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der erforderlichen Reparaturkosten in Höhe von 389,23 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision begehrte die Klägerin zunächst Erstattung der weiteren Reparaturkosten in Höhe von 665,23 €, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz gegen das Autohaus wegen möglicherweise überhöhter Abrechnung. Nach entsprechendem Hinweis des Gerichts änderte sie ihren Antrag zu einer Zahlung des Betrages an die Werkstatt. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

VI ZR 51/23

Die geschädigte Klägerin verlangt vom beklagten Haftpflichtversicherer ihres Unfallgegners die Kosten einer behaupteten Covid-19-Desinfektion. Diese war ihr von der Reparaturwerkstatt mit den Reparaturkosten in Rechnung gestellt worden. Es blieb offen, ob die Klägerin die Rechnung bereits bezahlt hat. Der Beklagte wendet gegen seine Zahlungspflicht ein, die Desinfektion sei nicht durchgeführt worden, außerdem treffe die Klägerin hinsichtlich der Werkstatt ein Auswahlverschulden, weil sie der Werkstatt die Auswahl eines Sachverständigen zur Beurteilung der Höhe der nötigen Reparaturkosten überlassen hätte.
Die Vorinstanzen haben den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

VI ZR 239/22

Die Geschädigte beauftragte die klagende Kfz-Werkstatt auf Grundlage eines zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens mit der Reparatur ihres Unfallfahrzeugs. Dafür stellte die Klägerin ihr 5.067,15 € in Rechnung. Die Geschädigte trat ihr daraufhin ihren Ersatzanspruch gegen den Unfallverursacher erfüllungshalber ab. Dessen Haftpflichtversicherer erstattete die Kosten bis auf die Position „Arbeitsplatzwechsel“ in Höhe von 227,31 €. Dieser sei nicht durchgeführt worden und die Kosten somit nicht angefallen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat auf Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Der BGH hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.

Rechtliche Erwägung
Der Bundesgerichtshof hat zunächst klargestellt, dass es für die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko unerheblich ist, ob der Geschädigte die Rechnung bereits beglichen hat (VI ZR 253/22, VI ZR 51/23). Voraussetzung sei aber, dass er Zahlung an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlange. Der Geschädigte muss also Zahlung an die Werkstatt beantragen Zug um Zug gegen Abtretung der das Werkstattrisiko betreffenden Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt. Andernfalls wäre der Schädiger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur selbst durchführen lassen würde. In diesem Fall stünden ihm eigene Ansprüche gegen die Werkstatt wegen der zu hohen Rechnung zu. Bei Durchführung der Reparatur durch den Geschädigten findet dieser Ausgleich durch die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt wegen der überhöhten Rechnung an den Schädiger statt. Diesen Vorteilsausgleich könnte der Geschädigte jedoch verhindern, wenn die Rechnung noch nicht vollständig beglichen ist und er auch nach Zahlung durch den Schädiger an sich den Restbetrag nicht an die Werkstatt zahlt. In diesem Fall stehen ihm keine Ansprüche gegen die Werkstatt wegen überhöhter Rechnung zu, die er an den Schädiger abtreten könnte. Gleichzeitig wäre der Geschädigte bereichert. Er würde sowohl den Schadensersatz vom Schädiger erhalten und könnte gleichzeitig die Zahlung des restlichen Rechnungsbetrages der Werkstatt mit Blick auf die zu hohe Rechnung verweigern.

Auch bisher galt schon, dass Reparaturkosten auch ersatzfähig sind, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen sind. Nun hat der BGH klargestellt (VI ZR 253/22), dass dies auch für die Kosten für Reparaturschritte und -maßnahmen gilt, die für den Geschädigten nicht erkennbar tatsächlich nicht durchgeführt wurden. Auch in diesem Fall finde die Schadensbeseitigung in einer für den Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre statt. Daher dürfe mangels Entscheidungserheblichkeit im Schadensprozess zwischen Schädiger und Geschädigtem auch keine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten durchgeführt werden.

Der Geschädigte dürfe außerdem darauf vertrauen, dass eine Fachwerkstatt keinen unwirtschaftlichen Weg für die Reparatur wählt (VR ZR 51/23). Daher müsse er vor Beauftragung der Werkstatt kein Sachverständigengutachten einholen. Ihn trifft außerdem kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden, wenn er zwar ein Sachverständigengutachten einholt, die Wahl des Sachverständigen aber der Werkstatt überlässt.

Zuletzt hat der BGH entschieden (VI ZR 239/22), dass im Falle einer Abtretung der Schadensersatzansprüche der Zessionar stets das Werkstattrisiko trägt. Für den Schädiger sei wichtig, dass der Schadensersatzanspruch des Geschädigten und seine Ansprüche gegen die Werkstatt wegen überhöhter Rechnung in einer Hand liegen, da nur dann der Vorteilsausgleich durch Abtretung eben dieser Ansprüche an den Schädiger in jedem Fall möglich ist.

Als überörtliche Kanzlei haben wir un­sere Wur­zeln in Berlin und Erlangen. Ein enga­giertes und qualifi­ziertes Team von Anwälten ist speziali­siert auf alle Fra­gen rund um das Wirt­schafts- und Bau­recht.
Fella Fricke Wagner
Fella Fricke Wagner
Copyright © 2024
Fella Fricke Wagner Partnerschaft
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner