Rechtsanwaltskanzlei

Neuigkeiten aus der Kanzlei

2022 Jahr der höchsten Nettozuwanderung

Im Jahr 2022 wurden rund 1.462.000 mehr Zuzüge nach Deutschland als Fortzüge aus Deutschland erfasst. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Grundlage der endgültigen Ergebnisse für das Jahr 2022 weiter mitteilt, fiel der Wanderungsüberschuss mehr als viermal so hoch aus wie im Vorjahr mit 329.000 mehr Zuzügen als Fortzügen. Damit zeigt die Statistik die höchste bisher registrierte Nettozuwanderung innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950. Insgesamt wurden im Jahr 2022 rund 2.666.000 Zuzüge und 1.204.000 Fortzüge über die Grenzen Deutschlands erfasst. Im Vorjahr waren es noch rund 1.323.000 Zuzüge und 994.000 Fortzüge. Das Land, aus dem die meisten Zuzüge erfolgen ist die Ukraine. Von dort wurden im Jahr 2022 rund 1,1 Millionen Zuzüge und 138.000 Fortzüge erfasst. Es folgen Syrien (+ 68.000), Afghanistan (+ 55.000) und die Türkei (+ 49.000).

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023

I. Unser Standort in Berlin wächst

Wir freuen uns, Ihnen unseren jüngsten Neuzugang der Kanzlei am Standort Berlin vorzustellen.
Herr Rechtsanwalt Christian Möllenkamp unterstützt seit dem 01.07.2023 die Kolleginnen und Kollegen an unserem Berliner Standort. Seine Schwerpunkte sind das Vergaberecht wie auch das Baurecht.
Herr Möllenkamp war zuletzt als Präsident des Landgerichts am Landgericht Neubrandenburg tätig. Zuvor war er Vizepräsident des Landgerichts am Landgericht Rostock, dort Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen, und

Richter am Oberlandesgericht bei dem Oberlandesgericht Rostock. Am Oberlandesgericht war er stellvertretender Vorsitzender des Vergabesenats und eines weiteren Senats mit dem Schwerpunkt Architektenrecht/Baurecht. Sein rechtswissenschaftliches Studium absolvierte er an der Universität Bonn, das juristische Referendariat im OLG-Bezirk Düsseldorf.
Herr Möllenkamp ist begeisterter – zugezogener – Berliner und dort in der Kommunalpolitik engagiert. Sein besonderes Interesse gilt der Stadtentwicklung und dem Baugeschehen. Seine Wehmut der mecklenburgischen Ostseeküste.

II. Entscheidungen im Überblick

Nachbar kann Entfernung eines neuen Metallzauns auf Nachbargrundstück verlangen

Kläger und Beklagter sind Grundstücksnachbarn. Auf der Grenzlinie der beiden Grundstücke befindet sich seit etwa dem Jahre 1972 ein Maschendrahtzaun mit einer Höhe von etwa 85 cm. Ohne Zustimmung des Klägers errichtete der Beklagte im Jahre 2018 auf seinem Grundstück parallel zu dem bestehenden Zaun mit einem Abstand von ca. 10 cm einen Metallzaun mit einer Höhe von ca. 2 Metern. Der Kläger forderte den Beklagten mehrfach erfolglos auf, den Metallzaun zu entfernen. Nach erfolgloser Durchführung einer Schlichtungsverhandlung wandte er sich an das Landgericht Darmstadt mit einem gleichlautenden Antrag. Die Klage hatte Erfolg.

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger einen Anspruch auf Beseitigung des Metallzaunes entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze gemäß §§ 922 S. 3, 1004 BGB hat. Eine Grenzeinrichtung, an deren Fortbestand einer der Nachbarn ein Interesse hat, darf nicht ohne dessen Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Jeder Nachbar kann, wenn sich die Grundstücksnachbarn – ausdrücklich oder stillschweigend – für eine bestimmte Grenzeinrichtung entschieden haben, die Erhaltung der Grenzanlage auch in ihrer äußeren Beschaffenheit und in ihrem Erscheinungsbild verlangen.
(Landgericht Darmstadt, Urteil vom 16.11.2020, 26 O 214/20)

Anmerkung: Eine solche Grenzanlage kann gemäß § 921 BGB auch eine Mauer, eine Hecke, eine Baumreihe, ein Graben u. Ähnliches ein. Eigenmächtige Veränderungen einer solchen Grenzanlage durch einen der Nachbarn, auch wenn sie nur auf dem eigenen Grundstück vorgenommen werden, können sogar Schadensersatzansprüche auslösen.

Mieter kann Zahlung der Betriebskosten verweigern, bis er Einsicht in die Belege erhalten hat

Ein Mieter aus dem Bezirk des Amtsgerichts Rheine in Westfalen sollte aus den Betriebskostenabrechnungen für 2020 und 2021 eine Nachzahlung entrichten. Dem wollte er grundsätzlich durchaus nachkommen, zuvor jedoch die Abrechnung, hier die einzelnen Kostenpositionen prüfen. Er bat seinen in Berlin wohnenden Vermieter, ihm die Rechnungskopien und die Kopie eines Wartungsvertrags zuzusenden. Der Vermieter sah keine Veranlassung, seinem Mieter die Belege auf dem Postweg zukommen zu lassen und klagte auf Zahlung.

Vor dem Amtsgericht hatte er den Erfolg nicht auf seiner Seite. Der Richter entschied, dass der Vermieter keinen Anspruch auf Nachzahlung habe, da sein Mieter rechtmäßig von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache. Bevor dieser zu zahlen habe, könne er von Rechts wegen Einsicht in die Belege verlangen. Da der Vermieter ca. 500 km entfernt wohne, bestehe ein Anspruch auf Übersendung von Kopien an seinen Wohnsitz. Bis zum Nachweis der entsprechenden Kosten durch Übersendung der Belege stehe dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu. Da der Kläger bis zum Termin der mündlichen Verhandlung die entsprechenden Belege nicht übersandt habe, sei die Klage abzuweisen.
(Amtsgericht Rheine, Urteil vom 13.12.2022 – 10 C 156/22)

III. Eine Entscheidung im Detail

Vermieter können Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen und Rückbauten sowie Schäden an der Mietsache nach wie vor anhand eines Kostenvoranschlags („fiktiv“) bemessen. Die anderweitige Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht ist nicht auf das Mietrecht übertragbar.

BGH Urteil vom 19.04.2023 – VIII ZR 280/21

1. Sachverhalt:

Die Beklagten waren bis Ende 2017 Mieter in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus des Klägers. Die Wohnung wurde zurückgegeben. Die Mieter hatten während der Mietzeit erforderliche Schönheitsreparaturen trotz Fristsetzung nicht ausgeführt, einen selbst verlegten Bodenbelag und selbst verlegte Fliesen nicht entfernt sowie Schäden im Treppenhaus verursacht. Der Vermieter verlangt nach erfolgloser Aufforderung zur Durchführung der Arbeiten Schadensersatz. Ein vom Vermieter eingeholter Kostenvoranschlag kalkulierte die erforderlichen Arbeiten auf 7.961,35 EUR netto.
Der Vermieter ließ den vom Mieter verlegten PVC-Belag entfernen und einen neuen Boden verlegen. Weitere Arbeiten ließ er noch nicht durchführen. Er verlangt nunmehr von den Mietern hinsichtlich aller übrigen Schäden die im Kostenvoranschlag ausgewiesenen voraussichtlichen Netto-Kosten als Vorschuss zur Ausführung, hilfsweise als Schadensersatz.
Vor dem Amts- und Landgericht hatte die Klage keinen Erfolg. (1) Der geltend gemachte Vorschussanspruch stehe dem Vermieter nicht zu, da es im Mietrecht, anders als im Werkvertragsrecht (§ 637 Abs. 3 BGB) hierfür keine Anspruchsgrundlage gebe. (2) Schadensersatz für die von ihm bereits durchgeführten Arbeiten könne er nicht mit Erfolg geltend machen, da dieser insoweit eine fiktive Schadensberechnung vornehme, welche nicht (mehr) zulässig sei. (3) Schadensersatz für die noch nicht erbrachten Leistungen könne er nicht verlangen, da solche Ansprüche (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB) aufgrund der „fiktiven“ Schadensberechnung nicht gegeben seien. Der VII. Zivilsenat des BGH habe nämlich für das Werkvertragsrecht entschieden, dass eine fiktive Schadensberechnung auf Basis eines Kostenvoranschlags nicht mehr möglich sei (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1). Diese Rechtsprechung sei auf das Mietrecht übertragbar.

2. Entscheidung:

Der BGH urteilte, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne der Kläger seine Schadensersatzansprüche wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB), der unterlassenen Rückbauten bezüglich der Fußböden (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) und wegen der durch die Beklagten verursachten Schäden an der Mietsache (§ 280 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 1 BGB) anhand der sogenannten fiktiven (Mangelbeseitigungs-) Kosten bemessen.
Anders als das Berufungsgericht meine, das lediglich von Ansprüchen des Klägers aufgrund unterlassener „Schönheitsreparaturen und Rückbauten“ spreche, liege den vom Kläger geltend gemachten Kosten für das Entfernen und Neuverlegen von Wandfliesen sowie das Spachteln und Streichen der Wand im Treppenhaus des Hausanwesens nicht die unterlassene Ausführung von Schönheitsreparaturen im Sinne der auch für den preisfreien Wohnraum maßgebenden Definition in § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung zu Grunde. Denn das Entfernen und die Neuverlegung von Wandfliesen sei nicht von den in dieser Vorschrift genannten (Tapezier- und Anstrich-)Arbeiten umfasst und die Maßnahmen im Treppenhaus lägen außerhalb der ehemals vermieteten Wohnung. Der Kläger mache insoweit Schäden an der Mietsache und somit einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) geltend.

Diese sowie die übrigen Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbauten könne der Kläger anhand der voraussichtlich erforderlichen („fiktiven“) Kosten bemessen.

Zwar habe der Kläger Teile der Arbeiten, für welche Ersatz begehrt werde, bereits ausgeführt. Er rechne jedoch – auch insoweit – seinen gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags und damit fiktiv ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten Schadensersatzansprüche statt der Leistung im Mietrecht auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder für den Rückbau der Mietsache erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Kosten bemessen werden.

Hieran sei auch nach der vom Berufungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen geänderten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs bezüglich des Werkvertragsrechts weiter festzuhalten). Denn die Erwägungen des VII. Zivilsenats beruhten allein auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts und seien – auch nach dessen Ansicht – auf andere Vertragstypen nicht übertragbar.

Der vom Berufungsgericht angeführten Gefahr einer Überkompensation bei fiktiver Abrechnung im Mietrecht werde zum einen dadurch begegnet, dass der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen dürfe. Zum anderen sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde.
Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung der Mietsache – hier bezüglich der Wandfliesen der Küche und des Flurs im Treppenhaus – auf der Grundlage der voraussichtlichen Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung, der aufgrund des Wegfalls des Leistungsanspruchs (§ 281 Abs. 4 BGB) von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei, könne der geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise Naturalrestitution oder den Geldersatz verlangen. Aufgrund dieser Ersetzungsbefugnis, die das Gesetz in § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewähre, könne der Kläger (auch) diesen Schadensersatzanspruch anhand der fiktiven Kosten bemessen.

Soweit der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auch hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) für das Werkvertragsrecht eine fiktive Schadensbemessung verneint habe, sei dies – wie ausgeführt – auf andere Vertragstypen außerhalb des Werkvertragsrechts nicht übertragbar.

Fazit:
Der Vermieter ist nach einem beendeten Mietverhältnis nicht gehindert, unterlassene Schönheitsreparaturen und Mangelbeseitigungsarbeiten „fiktiv“ auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages abzurechnen. Das Urteil verhält sich nicht zur Zahlung eines Vorschusses (1), da insoweit die Revision nicht zulässig war.

Als überörtliche Kanzlei haben wir un­sere Wur­zeln in Berlin und Erlangen. Ein enga­giertes und qualifi­ziertes Team von Anwälten ist speziali­siert auf alle Fra­gen rund um das Wirt­schafts- und Bau­recht.
Fella Fricke Wagner
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