Rechtsanwaltskanzlei

Abnehme und Abnahmefiktionen zur Osterzeit

2023 wurden in Deutschland rund 230 Millionen Osterhasen erzeugt, wovon etwa 108 Millionen im Inland verblieben und der Rest ins Ausland exportiert wurde.

63 Prozent der Deutschen halten fasten während der Fastenzeit für sinnvoll. Ganze 73 Prozent der befragten Deutschen wussten auch sehr genau anzugeben, dass sie während der hypothetischen Fastenzeit am ehesten auf Alkohol und Süßigkeiten verzichten würden.

Allerdings setzten nur 17 Prozent der Deutschen 2023 ihre guten Absichten in die Tat um. Fazit: der Geist ist willig, doch das Fleisch ist bekanntlich schwach.

Quelle: Statista.com

Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Leserinnen und Leser,

wir hoffen Sie hatten ein frohes und erholsames Osterfest! Neben den oben genannten wichtigen statistischen Informationen zum Osterfest und zur Fastenzeit, hält der April 2023 einige weitere wichtige Neuerungen für uns alle bereit, auf welche hinzuweisen es sich lohnt.

I. AKTUELLES

Zum 15. April 2023 werden die letzten Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die für das Jahresende 2022 geplante Abschaltung wurde auf Mitte April verschoben, um Engpässen in der Energieversorgung vorzubeugen. Damit die Versorgung im

kommenden Winter gesichert ist, bezieht Deutschland nun viel Gas aus Nordwesteuropa.

Um den Infrastrukturausbau zu begünstigen, erhalten die Gerichtsverfahren zu großen Infrastrukturprojekten Vorrang und werden effizienter. Insbesondere wird es hierfür schneller Verwaltungsgerichtsverfahren geben. Klar korrigierbare Mängel werden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, des Ausbaus von Gas- und Stromleitungen sowie von Flüssiggasterminals oder des Schienennetzes nicht mehr aufhalten.

Am 7. April sind alle Corona-Schutzmaßnahmen entfallen. Das heißt: Auch beim Besuch eines Krankenhauses, Pflegeheimes oder beim Reisen muss keine FFP2-Maske mehr getragen werden

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen sind künftig auch ohne entsprechende Regelung in der Vereinssatzung möglich.

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen sind schon nach bisherigem Recht möglich. Allerdings ist dafür in der Regel eine entsprechende Bestimmung in der Vereinssatzung notwendig. Diese Notwendigkeit entfällt mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht.

II. ENTSCHEIDUNGEN IM ÜBERBLICK

1. Bedarfsposition im VOB-Vertrag: Keine Preisanpassung bei Mehr- oder Mindermengen!
OLG Jena, Urteil vom 10.01.2020 – 4 U 812/15
In einem Gerüstbauvertrag kann durch Einbeziehung der VOB/B wirksam vereinbart werden, dass die Vertragsparteien einen Anspruch auf Anpassung der Vergütung haben, wenn der Zeitansatz für die Überlassung des Gerüsts um mehr als 10 % überschritten wird.
Tun sie dies jedoch nicht, kann die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht zu einer Preisanpassung führen, da diese auf Bedarfspositionen nicht anzuwenden ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Parteien übereinstimmend von einer bestimmten zu erwartenden Mehrmenge ausgegangen sind.
Kommt eine Preisanpassung in Frage und können sich die Parteien nicht über die Höhe der Vergütung für die ausgeführte Mehrmenge einigen, ist das Preisanpassungsverlangen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge auszurichten.

2. Unbedenklichkeitsbescheinigung ist keine Fälligkeitsvoraussetzung!
OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2022 – 21 U 30/22
Eine Klausel in einem vom Auftraggeber vorformulierten Bauvertrag, wonach die Vorlage von (Unbedenklichkeits-)Bescheinigungen Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung ist, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn schon das Fehlen einer einzigen Bescheinigung dazu führt, dass die Forderung insgesamt nicht fällig wird (Bestätigung von Senat, IBR 2022, 446).
Der Arbeitnehmer eines Nachunternehmers ist nicht verpflichtet und kann durch eine vorformulierte Klausel auch nicht dazu verpflichtet werden, den Generalunternehmer von der Nichtzahlung des Mindestlohns in Kenntnis zu setzen.

III. ENTSCHEIDUNG IM DETAIL

OLG München, Beschluss vom 08.03.2022 – 28 U 9184/21 Bau; BGH, Beschluss vom 05.10.2022 – VII ZR 83/22.

Mit der Vereinbarung einer förmlichen Abnahme gem. § 12 Abs. 3 VOB/B sind die Abnahmefiktion des § 12 Abs. 5 VOB/B und die Abnahme durch schlüssiges Verhalten (konkludente Abnahme) ausgeschlossen.
Der Auftragnehmer wird hierdurch nicht unangemessen benachteiligt, da eine berechtigte Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber nur wegen wesentlicher Mängel in Betracht kommt.

Sachverhalt:
Gemäß den vertraglichen Bestimmungen eines Bauvertrages, hatten die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart, jedoch erhebliche handschriftliche Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, so dass die VOB/B nicht mehr als „ohne inhaltliche Abweichungen“ vereinbart angesehen werden konnte (Privilegierung des § 310 Abs. 1 BGB) und somit der Weg für eine Inhaltskontrolle durch das Gericht nach den AGB Vorschriften eröffnet war (§ 305 ff. BGB).
Die Parteien hatten zudem eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 10 % der Auftragssumme sowie die förmliche Abnahme vereinbart und eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ausdrücklich ausgeschlossen.
Nun stritten der Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) über die Verpflichtung des AG, die vom AN gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft über 10 % der Auftragssumme herauszugeben.
Nach dem vom AG gestellten Formularvertrag war die Bürgschaft zurückzugeben, wenn u. a. das Bauvorhaben schlussabgenommen wurde. Da die Abnahme – nach der bereits erwähnten vertraglichen Bestimmung – jedoch förmlich zu erfolgen hatte, kam es nun auf die Wirksamkeit der Klausel über den Ausschluss der konkludenten Abnahme an, da der AG das geschuldete Werk zwischenzeitlich in Gebrauch genommen hatte.
Der AN sah insbesondere hierin eine unangemessene Benachteiligung. Er hielt die vom AG vorformulierte Abnahmeklausel AGB-rechtlich für unwirksam und erhob daher Klage auf Herausgabe der Bürgschaft.

Entscheidung:
Ohne Erfolg! Das Gericht sah keine unangemessene Benachteiligung des AN vorliegen.
Ohne Erfolg trug der AN insbesondere vor, die Voraussetzung einer tatsächlichen Erklärung der Schlussabnahme durch den Auftraggeber weiche vom gesetzlichen Leitbild des § 640 BGB zum Nachteil des Auftragnehmers ab (§ 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB).
Zwar sieht § 640 Absatz 2 BGB die Möglichkeit der Abnahmefiktion vor, wenn mittels Fristsetzung zur Abnahme aufgefordert wurde und hierauf keine qualifizierte Abnahmeverweigerung erfolgt.
Die Parteien haben im Vertrag jedoch ausdrücklich eine förmliche Abnahme sowie die Geltung der VOB/B vereinbart. Eine berechtigte Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber kommt auch hier nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VOB/B in Betracht. § 12 Absatz 3 VOB/B besagt:
„Wegen wesentlicher Mängel kann die Abnahme bis zur Beseitigung verweigert werden.“
Eine Benachteiligung des AN ist für den Senat insoweit nicht erkennbar, da er diesen durch die Abnahmeverpflichtung bei nur unwesentlichen Mängel ausreichend geschützt sieht.

Hinweise:
Zur Fiktiven Abnahme nach § 640 Absatz 2 BGB:
Nach § 640 Abs. 2 Satz BGB gilt ein Werk als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werkes eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.
Hierzu wird vertreten, dass die Vorschrift auch im VOB/B-Vertrag Anwendung finden solle, weil sich in der VOB/B keine mit § 640 Abs. 2 BGB vergleichbare und vorrangige Regelung vorfinde. Da die Vorschrift Leitbildcharakter habe, könne sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers/Auftraggebers nicht wirksam abbedungen werden.

Zu Fällen der Ingebrauchnahme des Werkes, bei gleichzeitigem Ausschluss der fiktiven Abnahme nach § 12 Absatz 5 VOB/B und gleichzeitigem Ausschluss der konkludenten Abnahme:
Wurde in einem Bauvertrag sowohl die fiktive Abnahme nach § 12 Absatz 5 VOB/B als auch die Möglichkeit der konkludenten Abnahme ausgeschlossen, ergibt sich bei Ingebrauchnahme des Werkes durch den Auftraggeber insofern ein unzufriedenstellendes Ergebnis, als dass trotz Ingebrauchnahme kein Gefahrenübergang stattfinden würde und auch die weiteren Rechtsfolgende der Abnahme vollständig ausbleiben würden.
Hier wusste das OLG Düsseldorf mit seinem Urteil vom 18.12.2018 – 22 U 93/18 zu helfen und sah durch die Ingebrauchnahme einen konkludenten Verzicht auf die an sich vereinbarte förmliche Abnahme vorliegen.

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