Rechtsanwaltskanzlei

Gutachterkosten für Bauzeitnachtrag: Kein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch

Mietbelastungsquote
Nach Angaben des statistischen Bundesamtes haben die rund 19,9 Millionen Hauptmieterhaushalte in Deutschland im Jahr 2022 durchschnittlich 27,8 % ihres Einkommens für die Miete aufgewendet. Bei rund 1,5 Millionen Mieterhaushalten lag diese Mietbelastungsquote, die den Anteil der Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zuzüglich verbrauchsunabhängiger Betriebskosten) am Haushaltsnettoeinkommen angibt, bei 50 % oder mehr.

Besonders hoch war die durchschnittliche Mietbelastungsquote bei Einpersonenhaushalten (32,7 %). Zudem mussten Mieterhaushalte in Großstädten (100.000 Einwohnerinnen und Einwohner) mit durchschnittlich 28,9 % mehr von ihrem Einkommen für die Bruttokaltmiete ausgeben als in Kleinstädten (bis zu 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner), wo der Wert bei lediglich 25,9 % lag.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023

I. Aktuelles

Der erste Entwurf sah noch die verpflichtende Aufzeichnung der Hauptverhandlung in Bild und Ton sowie die Umwandlung der Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in Textdokument vor, was heftige Kritik auslöste. Insbesondere Staatsanwälte und Richter warnten aufgrund der Videoaufzeichnung vor einer möglichen Einschüchterung von Zeugen. Nach Bundesjustizminister Marco Buschmann sei es hingegen nicht zeitgemäß, dass sich die Verfahrensbeteiligten aktuell nach einem mitunter monatelangen Prozess allein auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssten. Unterstützung bekam er dabei vom Deutschen Anwaltverein.

Das Bundeskabinett hat dem vom Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten überarbeiteten Entwurf des Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung nun zugestimmt.

Nach dem aktuellen Entwurf soll die Videoaufzeichnung jedoch nur noch optional sein. So können die Länder auf die Videoaufzeichnung komplett verzichten oder auf einzelne Gerichte beschränken. Die Tonspur und Transkription sind jedoch auch nach dem aktuellen Entwurf verpflichtend vorgesehen. Die Länder sollen die Regelungen bis zum 1. Januar 2030 umsetzen dürfen (Ausnahme: Staatsschutzsenate 1. Januar 2028).

Der Bundestag hat über den Gesetzentwurf noch nicht entschieden.

II. Entscheidung im Überblick

Nackter Vermieter im Hof kein Mietmangel
Sonnt sich der Vermieter unbekleidet auf dem Grundstück, so wird nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main hierdurch die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt, wenn keine gezielte Einwirkung beabsichtigt ist.

OLG Frankfurt a. M. (2. Zivilsenat), Urteil vom 18.04.2023 – 2 U 43/22
Der Kläger vermietete an die Beklagte Räumlichkeiten in einem Frankfurter Bürogebäude, welches teilweise zu reinen Wohnzwecken – unter anderem auch vom Vermieter selbst – genutzt wurde. Nach knapp einjähriger Mietzeit minderte die Beklagte die Miete unter Verweis auf diverse Mängel, so auch unter Berufung darauf, dass sich der Vermieter regelmäßig nackt im Hof sonnte. Der Vermieter klagte daraufhin auf Zahlung der rückständigen Miete. Das Landgericht gab der Klage in Wesentlichen statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung vor dem OLG Frankfurt am Main ein.

Ohne Erfolg!

Die Miete konnte nicht im Hinblick darauf gemindert werden, dass sich der Vermieter – was unstreitig ist – nackt im Hof gesonnt hatte. Der nackte Vermieter stellt nach Auffassung des Gerichts keinen Mietmangel dar.

Das ästhetische Empfinden eines anderen begründe für sich allein keinen Abwehranspruch gemäß § 906 BGB, sofern sich das Verhalten nicht gezielt gegen den anderen richte. Zudem liege keine grob ungehörige Handlung im Sinne des § 118 OWiG vor. So seien die Wertvorstellungen der Allgemeinheit gegenüber früheren Zeiten durch eine unbefangenere und freiere Auffassung hinsichtlich der Konfrontation mit menschlicher Nacktheit gekennzeichnet.

Die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache werde durch das Verhalten des Vermieters nicht eingeschränkt, da keine unzulässige, gezielt sittenwidrige Einwirkung auf das Grundstück und damit auf den Mietgegenstand vorgelegen habe. Der Ort, an dem der Kläger unbekleidet auf seiner Liege gelegen habe, sei von den Mieträumlichkeiten der Beklagten nur dann sichtbar, wenn man sich weit aus dem Fenster herausbeuge, was einer gezielten Einwirkung entgegenstehe.

Im Rahmen der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden konnte zudem der Vorwurf der Beklagten, der Vermieter habe sich bereits unbekleidet durch das Treppenhaus zum Hof begeben.

Die Mietminderung der Beklagten hatte damit mit der Begründung des nackten Sonnenbadens des Vermieters keinen Erfolg.

III. Entscheidung im Detail

Gutachterkosten für Bauzeitnachtrag: Keine Erstattung nach BGB und VOB/B

Die Kosten eines Privatgutachtens, das der Auftragnehmer nach einer Bauverzögerung zur Ermittlung der Mehrvergütung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B erstellen lässt, können weder als Teil der Mehrkosten noch als Anspruch auf Entschädigung gemäß § 642 BGB geltend gemacht werden.

Die nicht rechtzeitige Bereitstellung des Baugrundstücks durch den Auftragnehmer stellt ohne anderweitige Vereinbarung der Parteien lediglich eine Obliegenheitsverletzung dar. Daher kann darauf kein die Privatgutachtenkosten umfassender Schadensersatzanspruch gestützt werden.

OLG Dresden, Urteil vom 25.03.2022 – 22 U 547/15; BGH, Beschluss vom 18.01.2023 – VII ZR 96/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Sachverhalt:
Mit VOB/B-Vertrag verpflichtete sich der Auftragnehmer (AN) im Jahr 2007 zum Bau einer Überführung. Vorausgegangen war ein Vergabeverfahren mit mehrfacher Verlängerung der Bindefrist durch den Auftraggeber (AG). Zu einer weiteren Verzögerung der Arbeiten kam es dadurch, dass der AG erforderliche Genehmigungen verspätete beibrachte. Für die Berechnung seiner verzögerungsbedingten Mehrvergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B beauftragte der AN einen Privatgutachter. Die hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von 80.000 EUR machte der AN als Teil der Mehrkosten geltend. Das Gericht sprach dem AN diesen Betrag zunächst zu. Der BGH hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall zurück an das OLG Dresden. Dort verfolgte der AN seinen Anspruch weiter, jedoch ohne Erfolg.

2. Entscheidung:
Das OLG Dresden urteilte, nach der Entscheidung des Revisionsgerichts lässt sich ein solcher Anspruch nicht auf § 2 Abs. 5 VOB/B stützen, da die zur Nachtragsberechnung aufgewandten Kosten kein Teil der Mehrvergütung sind.

Nach Auffassung des Gerichts ergebe sich ein Anspruch auch nicht aus der unterlassenen Mitwirkungshandlung des Bestellers (§ 642 Abs. 1 BGB), denn diese Vorschrift gewähre keinen Ersatz für die Kosten der Ermittlung der nicht erwirtschafteten Vergütung.

Nach § 642 Abs. 1 BGB kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich ist und der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt.

Allerdings gewähre § 642 BGB keinen Anspruch auf Schadensersatz, sondern einen Vergütungsanspruch. Nach Ansicht des OLG Dresden sei durch diese Vorschrift kein vollständiger Ausgleich aller durch die Störung entstehender Nachteile beabsichtigt. Zu vergüten sei nur die Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel. Danach sei die angemessene Entschädigung nach § 642 BGB im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten auf die vom AN während der Dauer des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen. Dies bedürfe der Feststellung, inwieweit der Unternehmer während der Dauer des Annahmeverzugs Produktionsmittel unproduktiv bereitgehalten habe, und der Berücksichtigung der hierfür entfallenden Anteile aus der vereinbarten Gesamtvergütung, wobei eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich sei.

Die Kosten der Ermittlung dieses Aufwands gehörten allerdings nicht dazu. Denn sie seien nicht Teil der nicht erwirtschafteten allgemeinen Vergütung. Insoweit bleibe es bei der allgemeinen Regel, dass jedermann für die eigenen Kosten selbst aufkommt. Allenfalls ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch könnte insoweit bestehen.

Somit könne weder für die Verzögerung im Vergabeverfahren noch hinsichtlich der nach Erteilung des Zuschlags eingetretenen Verzögerungen ein Anspruch auf diese Vorschrift gestützt werden.

Ein Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts (§§ 311, 280 BGB) scheide ebenfalls aus. Ein solcher Anspruch setze die Verletzung einer vertraglichen Pflicht voraus; die Verletzung einer bloßen Obliegenheit genüge nicht. Die Bereitstellung des Baugrundes durch den Besteller im Bauvertrag sei aber – ohne eine hier nicht vorliegenden besondere vertragliche Bestimmung – eine Obliegenheit und keine vertragliche Pflicht. Denn das Interesse an der Herstellung eines vertragsgemäßen Werkes, was beim Bauvertrag die Bereitstellung des Baugrundes voraussetzt, sei ein (Haupt-) Interesse des Bestellers. Unterlasse dieser die entsprechenden Handlungen, verstoße er primär gegen sein eigenes Interesse, nicht gegen die Interessen des Unternehmers, dessen (Haupt-) Interessen am Werklohn und an der Abnahme des Werkes dadurch nicht beeinträchtigt würden.

Eine besondere vertragliche Regelung, die die Bereitstellung des Baugrundes ausnahmsweise zu einer, ggf. im Klagewege durchsetzbaren und im Übrigen schadensersatzbewehrten, vertraglichen Pflicht der Beklagten gemacht hätte, sei nicht vorgetragen worden oder ersichtlich.

Auch ein Anspruch aus § 6 Abs. 6 VOB//B sei nicht gegeben. Diese Vorschrift knüpfe an ein Verschulden und damit an eine vertragliche Pflicht an, die hier gerade fehle, weil die Bereitstellung des Baugrundes lediglich eine Obliegenheit darstelle.

Allerdings bejahte das Gericht die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten als Prozesskosten. Gutachterkosten sind dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (§ 91 Abs. 1 ZPO). Notwendig in diesem Sinne könnten auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens sein, wenn sie unmittelbar prozessbezogen seien. Es genüge jedoch nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet werde, sondern das Gutachten müsse sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein.

Das Gericht bejahte diese Voraussetzung, da die Klägerin das Gutachten zu einem Zeitpunkt beauftragt hatte, in dem sie gegenüber der Beklagten bereits einen Anspruch auf Mehrvergütung erhoben hatte und diese dem entgegengetreten war. Zu diesem Zeitpunkt hatten beide Parteien zur Frage des Bestehens eines Anspruchs auch bereits anwaltliche Beratung in Anspruch genommen. Unter diesen Umständen konnte nach Auffassung des Gerichts keine Partei zum Zeitpunkt der Einholung des Gutachtens davon ausgehen, dass es ohne gerichtliche Auseinandersetzung sein Bewenden haben könnte. Damit habe das Gutachten zumindest auch der Vorbereitung eines Prozesses gedient.

Fazit:
Damit scheiden materiell-rechtliche Ansprüche regelmäßig aus. Für den AN besteht dann nur die Möglichkeit, seine Kosten als Teil der Prozesskosten geltend zu machen, sofern die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind.

Als überörtliche Kanzlei haben wir un­sere Wur­zeln in Berlin und Erlangen. Ein enga­giertes und qualifi­ziertes Team von Anwälten ist speziali­siert auf alle Fra­gen rund um das Wirt­schafts- und Bau­recht.
Fella Fricke Wagner
Fella Fricke Wagner
Copyright © 2024
Fella Fricke Wagner Partnerschaft
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner