Rechtsanwaltskanzlei

ChatGPT: Zwischen Genialität und Nonsens

Künstliche Intelligenz (KI)-Nutzung im DACH-Raum
32 % der Unternehmen

Prognostizierter Umsatz von KI-Unternehmensanwendungen weltweit 2025
31 Mrd. US-$

Investitionen in OpenAI bis 2023
1 Mrd. US-$

Die Ergebnisse einer Umfrage zeigen die aktuelle oder geplante Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen im DACH-Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz). KI-gestützte Geschäftsmodelle erhalten immer mehr Bekanntheit und Kapital von Investor:innen, da die Produkte branchenübergreifend genutzt werden und einen signifikanten Mehrwert bringen.

Quelle: Statista.com

Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Leserinnern und Leser,

ein ganz großer Gewinner von KI-spezialisierte Technologie scheint sich jetzt schon abzuzeichnen: OpenAI. Das Unternehmen ist insbesondere für seine Anwendungen ChatGPT und Dall-E bekannt. OpenAI ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das sich mit der Erforschung von künstlicher Intelligenz beschäftigt. Das Startup mit Sitz in San Francisco wurde im Jahr 2015 gegründet und finanziert sich insbesondere durch bekannte Investoren wie Microsoft, Amazon

Web Services oder dem exzentrischen Milliardär Elon Musk. Die aufgezählten Größen sprechen für sich. Denn sobald es um vielversprechende und zukunftsorientierte Projekte geht, haben zumindest Microsoft und Amazon immer wieder ein gutes Händchen dafür bewiesen.

OpenAI zählt zu den weltweit am besten finanzierten Startups im Bereich des maschinellen Lernens. Dabei ist ChatGTP das bekannteste Produkt des Unternehmens und könnte das Feld der Suchmaschinen und maschinellen Texterstellung revolutionieren. ChatGTP ist ein KI-gestützter Chatbot, dem auch komplexe Fragen und Aufgaben gestellt werden können. So nutzen vermehrt Unternehmen den Chatbot, um bspw. einfach und schnell auf Kundenanfragen oder –beschwerden reagieren zu können – zum Teil jedoch noch holprig. Die Bewertungen der Chatbots schwanken noch von genial bis hin zu schlichtweg „dumm“.

Keine Frage, ChatGTP befindet sich, wie auch andere vergleichbare Produkte, im Entwicklungsprozess. Mit etwa 175 Milliarden trainierbaren Parametern übertrifft die Leistung des Programms jedoch vergleichbare Modelle. Die Raffinesse der Anwendung und das Dialogformat ermöglichen es ChatGPT, Folgefragen zu beantworten, Fehler einzugestehen, falsche Prämissen in Frage zu stellen und unangemessene Anfragen zurückzuweisen.

Ein kurzer Blick in die Glaskugel zeigt: Die Fähigkeiten der KI werden sich in den kommenden Jahren weiter verbessern und zu bedeutenden Veränderungen führen – auch in der Branche der Rechtsberatung. Die Veränderungen werden wohl hitzige gesellschaftliche Debatten auslösen. Insbesondere wenn es um die Angst der Menschen vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze geht. Die Art und Weise, wie die breite Öffentlichkeit diese Neuerungen diskutieren und annehmen, wird darüber entscheiden, wie sehr sie von diesen Veränderungen profitieren. Doch die Geschichte hat uns meistens gelehrt, dass die Angst um den Verlust von Arbeitsplätzen unberechtigt war. So hat besonders die industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Industrie 2.0) vielmehr dazu geführt, dass Arbeitsplätze durch die Fließbänder geschaffen wurden. Warum sollte es in der Industrie 4.0, in der wir uns momentan befinden, nun anders aussehen?

I. AKTUELLES

Gas- und Wärmepreisbremse soll Verbraucher entlasten
Deutschland leidet aktuell noch unter den hohen Energiepreisen. Auch die momentane Kältewelle, mit teils Schneefall in NRW, zwingt die privaten Haushalte zu weiterem Heizen. Durch das neue Gesetz im März 2023 kommt es nun zur Gas- und Wärmepreisbremse. Sie sollen dann aber rückwirkend schon ab 1. Januar 2023 ihre Wirkung entfalten. Die Strom- und Gaspreisbremse soll den Preis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs deckeln. Kommt es zu einem höheren Verbrauch, muss eine Zahlung über den Vertragspreis des jeweiligen Versorgers hinaus erfolgen. Kunden sollen jedoch die Entlastungen automatisch über die angepasste Abschlagszahlung erhalten. Dafür müssen dann keine weiteren Schritte ergriffen werden.

Im März soll es auch eine Energiepauschale für Studierende geben. Die Zahlung in Höhe von 200 EUR kann ab dem 15. März 2023 beantragt werden.

II. ENTSCHEIDUNGEN IM ÜBERBLICK

1. Kann eine Nachtragsforderung isoliert eingeklagt werden?
OLG Köln, Urteil vom 13.10.2022 – 7 U 47/20
Einzelne Positionen einer Schlussrechnung sollen laut OLG Köln grundsätzlich nicht isoliert einklagbar sein. Die Parteien eines Bauvertrags können jedoch – in Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 22.10.1998 – VII ZR 167/97 – vereinbaren, dass eine einzelne Nachtragsforderungen aus der Rechnungsstellung „herausgelöst“ werden und der Auftragnehmer diese Forderung isoliert gerichtlich geltend machen kann.

Sachverhalt:
Die Parteien stritten um die Frage, ob die Klägerin (Auftragnehmerin) berechtigt ist, von der Beklagten (Auftraggeberin) wegen einer Änderung der vereinbarten Bauausführung im Wege eines Nachtrags eine weitere Vergütung i. H. v. 206.272,10 EUR nebst Zinsen zu verlangen. Zwischen den Parteien war ein VOB/B-Bauvertrag über den Neubau einer Gesamtschule nach Einheitspreisen vereinbart worden. Die Parteien stritten während der Ausführung über einen Nachtrag, den die Auftragnehmerin zum Gegenstand einer Abschlagsrechnung machte. Sie vereinbarten, den Nachtrag aus der Rechnungsstellung herauszulösen und zum Gegenstand einer eigenen Rechnung zu machen. Diese Rechnung sollte die Auftragnehmerin klageweise geltend machen dürfen. Die Auftragnehmerin machte schließlich im weiteren Verlauf Mehrkosten aus geänderten Leistungen geltend und reichte dafür einen Nachtrag bei der Auftraggeberin ein. Die Parteien kamen jedoch in Bezug auf die Mehrkosten nicht zu einer gütlichen Einigung.

Entscheidung:
Das OLG Köln wies zwar die Klage ab. Es hielt allerdings die isoliert auf die Nachtragsforderung begrenzte Klage für zulässig. Einzelne Abrechnungsposten könnten durch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Parteien verselbstständigt werden. Zwar sei allgemein anerkannt, dass sich bei einem abgeschlossenen, abgenommenen und schlussgerechneten Objekt der Werklohnanspruch grundsätzlich auf den Saldo beziehe, den die Schlussrechnung unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelpositionen und der Abschlagszahlungen ausweist. Davon zu unterscheiden sei aber laut OLG Köln die Frage, ob die Parteien durch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung etwas anderes bestimmen und eine von diesen Abrechnungspositionen auch verselbstständigen können.

2. Teilkündigung beim VOB/B-Vertrag: Was sind „in sich abgeschlossene“ Teilleistungen?
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2022 – 5 U 232/21
Der Begriff des in sich abgeschlossenen Teils einer Leistung sei laut OLG Düsseldorf eng auszulegen. Wann eine in sich abgeschlossene Leistung vorliege, sei eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob eine funktionale und in sich selbstständig beurteilbare Teilleistung vorliegt (vgl. Ingenstau/Korbion VOB 21. Auflage, § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 30). Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können grundsätzlich nicht als abgeschlossen angesehen werden. Bezieht sich eine Teilkündigung zudem nicht auf einen abgeschlossenen Teil der Leistung, ist sie unwirksam.

Sachverhalt:
Auftraggeber und Auftragnehmer schlossen im Jahr 2013 einen VOB/B-Vertrag über Dachdeckerarbeiten für das Justizzentrum Bochum. Der Auftraggeber vertrat die Auffassung, dass das Bauteil F deutlich niedriger als die übrigen Bauteile sei. Der Auftraggeber erklärte daher eine auf § 8 Abs. 3 VOB/B gestützte Teilkündigung aus wichtigem Grund hinsichtlich der noch ausstehenden Arbeiten auf dem Bauteil F. Der Auftragnehmer ging klageweise gegen die Teilkündigung vor.

Entscheidung:
Das OLG Düsseldorf urteilte, dass die Frage, ob ein wichtiger Kündigungsgrund vorlag oder nicht, nicht entscheidungserheblich sei. Die Teilkündigung war unwirksam, weil sie nicht in sich abgeschlossene Teile der vertraglichen Leistung i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B zum Gegenstand hatte. Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können nicht als abgeschlossen angesehen werden, es sei denn, es liegt nach der Vertragsgestaltung eine klare zeitliche und räumliche Trennung vor. Im vorliegenden Fall handelte es sich um Leistungsteile innerhalb des Gewerks „Dachabdichtungsarbeiten“, die zudem einen einheitlichen Gebäudekomplex betrafen. Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können grundsätzlich jedoch nicht als abgeschlossen angesehen werden.

III. ENTSCHEIDUNG IM DETAIL

§ 4 Abs. 7 VOB/B ist unwirksam: Keine Kündigung wegen Mängeln vor Abnahme!
BGH, Urteil vom 19.01.2023 – VII ZR 34/20

Die Klausel des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B hält bei Verwendung durch den Auftraggeber einer Inhaltskontrolle nicht stand, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist. Dies gilt im Übrigen auch auf die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Abs. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B. Diese Kündigungsregelung benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam.

Sachverhalt:
Die Beklagte war hinsichtlich eines Teils des Ausbaus der Stadtbahnlinie beauftragt worden. Mit den entlang der Stadtbahntrasse durchzuführenden Straßen- und Tiefbauarbeiten beauftragte die Auftraggeberin die Klägerin als Nachunternehmerin. Die VOB/B war nicht als Ganzes vereinbart worden. Im weiteren Verlauf kam die Nachunternehmerin bzw. Auftragnehmerin der Mängelbeseitigungsaufforderung, die mit einer Kündigungsandrohung des Bauleistungsvertrages verbunden war, nicht fristgerecht nach. Die Auftraggeberin kündigte daraufhin den Bauvertrag. Die Mängel, aufgrund derer die Auftraggeberin den Vertrag kündigte, verursachten Mängelbeseitigungskosten i. H. v. ca. 6.000,00 EUR, während sich der Auftragswert auf 3.031.527,96 EUR netto belief. Die Auftragnehmerin ging klageweise gegen die Kündigung des Bauvertrages vor.

Entscheidung:
Mit Erfolg! Für den BGH stellte sich zunächst die Frage, ob eine Inhaltskontrolle von § 4 Abs. 7 VOB/B rechtlich überhaupt zulässig ist oder ob § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB (Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit) eine solche Inhaltkontrolle gesetzlich verbietet. Der BGH konnte in die Inhaltskontrolle einsteigen, weil die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden war. Nach der entscheidenden Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Inhaltskontrolle) wird eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders der AGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Nach den Feststellungen des BGH für § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B sei davon auszugehen, dass schon bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grunde eröffnet ist. Dies stelle bei einer kundenfeindlichen Auslegung im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung der Auftragnehmerin dar.

Die Kündigung aus wichtigem Grunde könnte sonst einschränkungslos in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden. Der gesetzliche Grundgedanke des § 648a BGB setze für eine Kündigung aus wichtigem Grund demgegenüber voraus, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies sei bei Vorliegen unwesentlicher Mängeln – wie im vorliegenden Fall mit Mängelbeseitigungskosten i. H. v. ca. 6.000,00 EUR bei einem Auftragswert i. H. v. 3.031.527,96 EUR – gerade zu verneinen.

Die Sanktion der Kündigung aus wichtigem Grund kann danach einschränkungslos in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden. Diese Möglichkeit besteht losgelöst davon,
welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die
Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukommt. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002)
differenziert nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den
Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels, sodass selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur
Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem
Grund führen können.

Als überörtliche Kanzlei haben wir un­sere Wur­zeln in Berlin und Erlangen. Ein enga­giertes und qualifi­ziertes Team von Anwälten ist speziali­siert auf alle Fra­gen rund um das Wirt­schafts- und Bau­recht.
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