Rechtsanwaltskanzlei

KG Berlin zur Nachtragsvergütung im einstweiligen Verfügungsverfahren

Neuinvestition der Deutschen Bahn

  • bis Ende 2022 rund 13,6 Mrd. EUR
  • in die Modernisierung des Netzes und der Bahnhöfe
  • rund 900 Mio. Euro mehr als im Vorjahr
  • Erneuerung von 1.800 Kilometern Gleisen, 2.000 Weichen, 140 Brücken und 800 Bahnhöfen

„Höhere Investitionen bedeuten auch mehr Bauvolumen in unserem Netz“, sagte DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla. Kundenfreundliches und kapazitätsschonendes Bauen stehe „zwar ganz oben auf der Agenda“. Dennoch dürfte es auch in diesem Jahr durch das hohe Bauaufkommen zu Einschränkungen kommen.

Quelle: Pressemitteilung v. 03.02.21, deutschebahn.com

I. AKTUELLES

Betriebsschließungsversicherung in der COVID-19-Pandemie: Kein Geld bei abschließendem Katalog

Der BGH (Urt. v. 26.01.2022 – IV ZR 144/21) entschied jüngst, dass eine Betriebsschließung zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 nicht immer vom Versicherungsumfang der Betriebsschließungsversicherung gedeckt sein muss.

Im streitgegenständlichen Fall lehnte der BGH Ansprüche des Betriebes gegen seine Versicherung ab, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern aufführt, welche COVID-19/SARS-CoV-2 nicht umfasste. Damit lag kein Versicherungsfall vor.

Mit diesem Urteil schloss der BGH jedoch nicht die Eintrittspflicht der Versicherungen im Falle einer Corona-bedingten Schließung per se ab. Vielmehr ist maßgeblich, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Betriebsschließungsversicherungen einen abschließenden Katalog aufgeführter Krankheiten und Krankheitserreger enthalten. Sofern keine abschließende Aufzählung oder unter Bezugnahme des Infektionsschutzgesetz eine Erweiterung der Krankheiten und Krankheitserreger vorliegt, muss die Versicherung für die Betriebsschließung aufkommen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

II. ENTSCHEIDUNG IM DETAIL

KG, Urteil vom 02.11.2021 – 27 U 120/21 (Verfahrensgang: LG Berlin, Urteil vom 08.07.2021 – 20 O 117/21)

Nach dem Kammergericht Berlin kann ein Auftragnehmer auch bei einem VOB/B-Vertrag 80% der Nachtragsvergütung über eine Abschlagszahlung gemäß §§ 650c, 650d BGB verlangen. Dies kann er ebenso im einstweiligen Verfügungsverfahren festsetzen. Liegt hierin eine interessante Möglichkeit für Auftragnehmer?

Sachverhalt

Die Verfügungsbeklagte (Auftragnehmerin) erbringt Abbruchleistungen im Rahmen eines VOB/B-Vertrages mit der Verfügungsklägerin (Auftraggeberin). Im Rahmen eines Nachtragsangebots sollte über einen Leistungszeitraum vom 11.09.2020 bis zum 25.02.2021 ein Anspruch auf Abschlagszahlungen in Höhe von 80% für die Ausführung geänderter oder zusätzlicher Bauleistungen geltend gemacht werden.

Rechtliche Erwägungen

Das Kammergericht gab der Auftragnehmerin nur für einen bestimmten Zeitraum der Verfügung Recht. Für den Zeitraum ab dem 26.02.2021 konnte die Auftragnehmerin hinreichend glaubhaft machen, dass es sich um nicht vorgesehene Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B handelt (1), eine der Abschlagszahlung entsprechende Bauleistungen erbracht zu haben (2), eine prüfbare Aufstellung dieser Bauleistung vorgelegt (3) und einen Antrag auf Abschlagszahlung gestellt zu haben (4). Letzterer ist gemäß § 650c Abs. 3 S. 1 BGB auf 80% der im Nachtragsangebot festgesetzten Mehrvergütung anzusetzen (5).

(1) Die Auftragnehmerin konnte darlegen, dass es sich um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen handelte, was das Gericht nach Auslegung des Inhalts der Leistungsbeschreibung im Zusammenhang mit dem gesamten Vertragswerk feststellte. Dabei hindert es nicht, dass – wie vorliegend – keine Vereinbarung über die veränderte oder zusätzliche Vergütung zustande gekommen ist. Im vorliegenden Fall beinhaltete die Nachtragsleistung eine besondere Leistung (insbesondere Vorhaltekosten für Bestandsgeräte), welche in der Leistungsbeschreibung nicht besonders erwähnt wurde.

(2) Der Anspruch aus § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B war auch gegeben, da die Auftraggeberin (bzw. ein bevollmächtigter Vertreter) eine im Bauvertrag nicht vorgesehene Leistung verlangte. Im konkreten Fall hat die Auftraggeberin aufgrund von Verzögerungen in der Bauausführung ausdrücklich die parallele Ausführung von Arbeiten in mehreren Bauteilen und die Lieferung und Vorhaltung insofern notwendiger zusätzlicher Geräte angeordnet.

(2.1) Der zusätzliche Vergütungsanspruch ist auch seitens der Auftragnehmerin gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B vor Beginn der Ausführung angekündigt worden. Im Gegensatz zum Zeitraum vor dem 26.02.2021, den das Kammergericht nicht zusprach, sah es in dem Nachtragsangebot selbst die gebotene Ankündigung des zusätzlichen Vergütungsanspruchs. Dieser ist im Übrigen sofort anzukündigen, sobald der Auftragnehmer die Notwendigkeit der Zusatzleistung festgestellt hat.

(2.2) Die Auftragnehmerin hat im konkreten Fall auch die der Abschlagszahlung zugrunde gelegten Leistung erbracht. Eine Abschlagszahlung kann nach § 16 Abs. 1 VOB/B nur verlangt werden, wenn diese bereits erfolgt ist und darf weder höher noch niedriger sein als der vertragsmäßig vereinbarte Wert der nachgewiesenen Leistung.

(3) Eine prüfbare Abrechnung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/B nahm die Auftragnehmerin ebenfalls vor. Aus der Aufstellung muss sich zweifelsfrei ergeben, welche Einzelleistungen des Leistungsverzeichnisses erbracht wurden. Die Anforderungen an die Prüffähigkeit sind dabei geringer als bei der Schlussrechnung.

(4) Die Auftragnehmerin beantragte auch eine Abschlagszahlung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B, wozu keine besondere Form vorgeschrieben ist und welche mit Vorlage der Abschlagsrechnung gestellt werden kann.

(5) Nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB kann die Auftragnehmerin eine Abschlagszahlung in Höhe von 80% des Nachtragsangebots verlangen. Dies setzt voraus, dass sich die Parteien bisher nicht über die Höhe geeinigt haben und keine anderslautende Gerichtsentscheidung erging. Das Kammergericht führte hierzu aus, dass die Regelungen auch Anwendung auf VOB/B-Verträge finden, da hiermit § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B gelten soll und es sich hierbei um eine „vereinbarte“ Abschlagszahlung im Sinne des § 650c Abs. 3 S. 1 BGB handelt. Diese Regelung begründet im Übrigen nur ein vorläufiges (einseitiges) Preisbestimmungsrecht der Auftragnehmerin. Es soll der Auftragnehmerin Liquidität aufgrund der Vorleistungspflicht verschaffen.

Weitere Ansprüche der Auftragnehmerin ließ das Kammergericht jeweils am Fehlen einer der oben genannten Voraussetzungen scheitern.

Fazit

Das Kammergericht festigt mit dieser Entscheidung die Rechtsmeinung, dass die Auftragnehmer-freundlichen BGB-Regelungen auch auf VOB/B-Verträge anzuwenden sind.

Die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung scheint nur auf den ersten Blick interessant zu sein, die eingangs gestellte Frage ist zu verneinen. Gegen das Vorgehen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung sprechen zwei Gründe.

1. Soweit man meint, hiermit den Goldesel der Liquidität entdeckt zu haben, muss einschränkend gewarnt sein, dass stark überhöhte Nachtragsangebote als rechtsmissbräuchlich oder gar sittenwidrig bewertet werden können. Wenn dies der Fall ist, wird die übliche Vergütung (nach § 632 Abs. 2 BGB) angenommen und es würden zu verzinsende Regressansprüche des Auftraggebers entstehen. Es sollte daher je nach Vertragsbedingungen die Preisfortschreibung angenommen werden oder die tatsächlichen Kosten nebst üblicher Zuschläge. Die Richtigkeitsvermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB erstreckt sich dabei im Übrigen nicht auf diese Mehrvergütung und an die 80% als solche ist das Gericht ebenfalls nicht gebunden (vgl. KG Berlin, Urt. v. 02.03.2021 – 21 U 1098/20).

2. Darüber hinaus ist auch hier die Schwäche einer jeden Gerichtsentscheidung anzuführen, nämlich, dass sie mehr Zeit benötigt. Zumeist auch mehr Zeit als eine durch anwaltliche Beratung forcierte außergerichtliche Einigung im Rahmen einer Nachtragsverhandlung.

§ 650c BGB gilt zudem nur für Bauverträge. Das heißt in Fällen, in denen Werklieferverträge zugrunde liegen und Nachträge nur über die zusätzlich (wirksam) einbezogenen VOB/B gelegt werden, kommt die „80%-Regel“ wohl nicht zur Anwendung.

Vorliegend wehrte sich der Auftraggeber übrigens in einer besonderen Weise: mit einer negativen Feststellungsklage sollte festgestellt werden, dass ein einstweiliger Verfügungsanspruch nicht besteht. Es ist also gleichlaufend für den Auftraggeber möglich, sich durch eine einstweilige Verfügung einem Vergütungsanspruch im einstweiligen Rechtsschutz zu erwehren.

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Fella Fricke Wagner
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