Rechtsanwaltskanzlei

Miet- und Dienstverschaffungsverträge: Haftung eines Logistikunternehmens

Unser neuer Standort Karlsruhe

Karlsruhe ist mit durchschnittlichen 20°C in den Sommermonaten die zweitwärmste Stadt Deutschlands und hat neben Freiburg im Breisgau auch die meisten Sonnentage: an etwa 140 Tagen im Jahr scheint durchgehend die Sonne. Die 32 auf das Schloss zulaufenden Straßen geben Karlsruhe den Beinamen „Fächerstadt“. Das dort ansässige Bundesverfassungsgericht erledigte von 1951 – 2019 genau 245.809 Verfahren, wobei von den 237.223 Verfassungsbeschwerden allein 5.372 erfolgreich waren (2,3 %).

Quellen: Statista / karlsruhe-erleben.de / BVerfG 

I. AKTUELLES

Neue Partner an drei Standorten

Mit dem Jahreswechsel hat FFW drei weitere Partner hinzugewonnen! Nach langjähriger Kanzleizugehörigkeit sind die Rechtsanwälte Kai Landvoigt (künftig Standortleiter in Karlsruhe), Sebastian Koch (Standortleiter Köln) und Matthias Ryschka (Berlin) nun zu Partnern von FFW ernannt worden. Wir gratulieren und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.

Gewerbemiete: Minderung bei Corona-Lockdown grundsätzlich möglich

Der BGH (Urt. v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21) nahm Stellung zur Minderung von Gewerbemieten im Rahmen von behördlich angeordneten Geschäftsschließungen. Eine Gebrauchsbeschränkung reiche nicht aus. Wie hoch diese Minderung anzusetzen ist, sei eine Abwägung im Einzelfall, wobei der Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung, aber auch etwaige Versicherungsleistungen zu berücksichtigen sind. Staatliche Unterstützungen in Darlehensform indes nicht.

EuGH klärt Anwendung der HOAI

Zumindest im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privatpersonen kann die HOAI angewendet werden. Dies klärte der EuGH nun in seinem Urteil vom 18.01.2022 (Rs. C-261/20). Weiterhin könne die jeweils geschädigte Partei Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland verlangen.

II. ENTSCHEIDUNG IM DETAIL

OLG Rostock, Urteil vom 28.12.2021 – 5 U 87/16

(Verfahrensgang: Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 08.07.2016 – 3 O 796/13)

Das OLG Rostock hatte sich mit der Frage beschäftigt, wer für einen Eisenbahnunfall haften muss, der von einem Lokführer verursacht wurde, der von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen überlassen wurde.

FFW vertrat die Beklagte zu 2) in beiden Instanzen dieses Verfahrens.

Sachverhalt

Die Beklagte zu 2) ist ein Logistikunternehmen, welches zum einen eigenständig Logistikleistungen erbringt und zum anderen Loks vermietet und Personal überlässt.

In dem zugrundeliegenden Fall überließ die Beklagte zu 2) einen Lokführer, den Beklagten zu 1), an die Streithelferin, ein Bauunternehmen. Die Streithelferin wies den Beklagten zu 1) an, eine Rangierfahrt auf einem Baugleis durchzuführen. Dabei ereignete sich ein Eisenbahnunfall, indem der Beklagte zu 1) mit dem ebenfalls überlassenen Arbeitszug mit überhöhter Geschwindigkeit ungebremst in einen vorschriftsgemäß haltenden Arbeitszug der Klägerin auffuhr. Dabei ist der Klägerin ein nicht unerheblicher Schaden entstanden.

Die Klägerin machte zunächst vor dem Landgericht Neubrandenburg Schadensersatzansprüche in Form von Reparaturkosten und Kosten für die Ersatzbeschaffung während des Reparaturzeitraums gegen die Beklagten geltend. Unter Klageabweisung im Übrigen hat das LG Neubrandenburg den Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin einen Teilbetrag dessen zu zahlen. Gegen dieses Urteil wendete sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Rechtliche Erwägungen

Das OLG Rostock fasste das Urteil des LG Neubrandenburg dahingehend neu, dass der Beklagte zu 1) zur Zahlung eines höheren Teilbetrages des insgesamt eingeklagten Schadensersatzes verurteilt wurde. Im Übrigen wurde das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Das OLG Rostock bestätigte das Urteil des LG Neubrandenburg bezüglich der Haftung des Beklagten zu 1) wegen seines schuldhaft begangenen Fahrfehlers. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) folgt aus unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB.

In Bezug auf die Haftung der Beklagten zu 2) bestätigte das OLG Rostock die Entscheidung des LG Neubrandenburg.

Die Beklagte zu 2) hafte nicht aus der Gefährdungshaftung nach § 1 HpflG. Der Tatbestand ist dahingehend erfüllt, dass sich ein Unfall im Betrieb einer Schienenbahn ereignete, wodurch sich eine typische Gefahr des allgemeinen Bahnbetriebs verwirklicht hat. Das LG Neubrandenburg führt an, dass es hier an der Betriebsunternehmereigenschaft bei der Beklagten zu 2) fehlt. Denn Betriebsunternehmer nach § 1 Abs. 1 HpflG ist derjenige, der eine Bahn für eigene Rechnung betreibt und dem die Verfügung über den Betrieb zusteht.

Das LG Neubrandenburg stellt hinsichtlich des „Betriebs auf eigene Rechnung“ klar, dass vorliegend nicht der Beklagten zu 2) das wirtschaftliche Ergebnis der Fahrt zukam, sondern allein die Streithelferin einen Nutzen davon hatte, dass der Arbeitszug auf der streitgegenständlichen Strecke eingesetzt werden konnte. Hinsichtlich der „Verfügung über den Bahnbetrieb“ sei maßgeblich, wer durch die Einwirkungsmöglichkeiten und –verpflichtungen hinsichtlich dieses Teils des Betriebes imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden und zu verringern. Die Beklagte zu 2) hatte nicht die für den Bahnbetrieb erforderliche Verfügungsgewalt über den Einsatz der Loks und ihrer Waggons. Vielmehr lag diese bei der Streithelferin. Dies folgt aus der tatsächlichen betrieblichen Gestaltung des zwischen der Beklagten zu 2) und der Streithelferin bestehenden Rechtsverhältnisses zum Zeitpunkt des Unfalls. Der verantwortliche Bauleiter der Streithelferin erteilte die Weisung gegenüber dem Beklagten zu 1) erteilt, insbesondere den konkreten Fahrauftrag für die streitgegenständliche Fahrt. Die Beklagte zu 2) hingegen hat gegenüber dem Beklagten zu 1) lediglich die Einweisung in die Baustelle vorgenommen. Dieses Verhalten allein reicht für die Einordnung der Beklagten zu 2) als Betriebsunternehmerin nicht aus.

Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte zu 2) Halterin der am Unfall beteiligten Lok ist. Die Betriebsunternehmereigenschaft liegt offensichtlich bei der Streithelferin, sodass diese – und nicht die Beklagte zu 2) – nach dem HpflG haften müsse.

Das OLG Rostock entscheidet nicht abschließend darüber, ob die Beklagte zu 2) eine Betriebsunternehmerin ist oder nicht. Es betont aber, dass „viel dafür spricht“, dass die Beklagte zu 2) keine sei, sondern die Streithelferin als Betriebsunternehmerin hafte. Jedenfalls führt das OLG Rostock an, dass infolge einer außergerichtlichen Zahlung der Versicherung der Streithelferin an die Klägerin der Höchstbetrag gem. § 10 Abs. 1 HpflG von 300.000 Euro insoweit bereits erreicht sei, weshalb bereits aus diesem Grund eine Haftung der Beklagten zu 2) ausscheidet.

Ferner kann die Beklagte zu 2) auch nicht aus verschuldensabhängiger Haftung aus Deliktsrecht gem. § 831 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden. Das OLG Rostock bestätigt, dass der Beklagte zu 1) entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 2) sei. Dies ergibt sich aus dem zwischen der Beklagten zu 2) und der Streithelferin geschlossenen Vertrag: die Hauptleistungspflicht der Beklagten zu 2) liegt in der entgeltlichen Überlassung der Lok und Waggons mit gleichzeitiger Auswahl und Überlassung des Bedienpersonals, nicht hingegen in der ordnungsgemäßen Durchführung der Transporte. Maßgeblich ist das Gepräge des Vertrags.

Die Beklagte zu 2) hat keine bestimmten erfolgsbezogenen Aufgaben im Rahmen der von der Streithelferin auszuführenden Bahnbauprojekte übernommen. Deshalb ist der zwischen der Beklagten zu 2) und der Streithelferin geschlossene Vertrag kein Dienst- oder Werkvertrag. Der Streithelferin wurde somit das Arbeitsgerät nebst dem Bedienungspersonal mit der Möglichkeit überlassen, dieses auf Stundenbasis für sich zu nutzen.

Das OLG Rostock vergleicht – entsprechend gefestigter Rechtsprechung des BGH – dieses zugrundeliegende Vertragsverhältnis mit einem Vertrag über die Gestellung eines Krans mit qualifiziertem Bedienungspersonal (BGH, Urt. v. 26.03.1996 – X ZR 100/94). Somit ist – wie bereits vom LG Neubrandenburg ausgeführt – das Verhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und der Streithelferin als Miet- und Dienstverschaffungsvertrag zu klassifizieren. Vor diesem Hintergrund ist ein etwaiges Fehlverhalten des überlassenen Lokführers der Streithelferin anzulasten, deren Verrichtungsgehilfen das Personal gewesen ist.

Im Übrigen bringt die Beklagte zu 2) ein Entlastungsbeweis in Bezug auf ein mögliches Auswahlverschulden nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB vor, dass der Beklagten zu 1) die zur Führung der Lok erforderliche fachliche und gesundheitliche Befähigung hat, welche durch entsprechende Bescheinigung belegt wurde.

Fazit

Verträge über die entgeltliche Überlassung von Arbeitsgeräten mit Gestellung von Bedienungspersonal können unterschiedlich ausgestaltet sein. Davon hängt eine etwaige Haftung innerhalb dieser Mehrpersonenverhältnisse ab.

Das OLG Rostock nimmt – wie auch schon das LG Neubrandenburg – in der vorliegenden Ausgestaltung zu Recht an, dass bei der Überlassung der Lok und des Lokführers die Vertragsbeziehung ein Mietvertrag, verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, ist. Grund dafür ist, dass die Einwirkungsmöglichkeit auf die Ausführungen der Arbeiten ausschließlich bei dem Besteller/Mieter liegt und das vom Vermieter gestellte Bedienungspersonal den Weisungen des Mieters unterworfen ist.

FFW ist stolz darauf, die unberechtigten Ansprüche gegen ihre Mandantin, die Beklagte zu 2) in beiden Instanzen abwehren zu können.

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Fella Fricke Wagner
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